Das Pschorrbräuzelt hat einen schwierigen Neustart hinter sich und muss ihre neue Identität noch finden.

Die Bräurosl ist eines der großen Festzelte auf dem Münchner Oktoberfest. Das seit 1901 existierende Zelt hat heute 6490 Sitzplätze im Innenraum und 1760 im Biergarten.

Neubau 2022 und Wirtewechsel

Besonders alt werden die Zelte der Paulanergruppe nicht. Gerade einmal 15 Oktoberfeste durfte das letzte Bräuroslzelt erleben, bevor es 2022 bereits durch einen Neubau ersetzt wird. Das mit 15 Metern beeindruckend hohe Zelt zitiert die Fassade eines historischen Bräuroslbaus. Wie bei allen Neubauten der letzten Jahre wurde leider auch bei der Bräurosl Kapazität vom Mittelschiff auf eine Rundumgalerie verlagert. Dank breiter Gänge ist diese immerhin eine der besten auf der Wiesn. Die Dekoration im Luftraum ist bewusst spartanisch, um das von der Beleuchtung geformte Tonnengewölbe zu betonen.

Dies gelingt am (frühen) Abend auch sehr gut, doch bedauerlicherweise hat das Zelt ein atmosphärisches Problem bei Tageslicht, wenn nicht die Sonne scheint. Dann nämlich wirkt es sehr kalt und ungastlich, was durch die hellen Farben und die Raumhöhe verstärkt wird. In der Lichttemperatur anpassbare Beleuchtung hätte hier möglicherweise gutgetan. Am späteren Abend wird das Licht bedauerlicherweise stark gedimmt, wodurch das Gewölbe nicht mehr zur Geltung kommt. Dass dunkler nicht automatisch atmosphärischer ist, kann man leicht erkennen, wenn um halb elf wieder alle Lichter hell leuchten.

Für den Neubau wurden gleichzeitig auch neue Wirtsleute gesucht. Die Familie Heide entschied sich nämlich sehr überraschend nach 83 Jahren aufzuhören. Übernommen hat Peter Reichert, der vorher die Schönheitskönigin führte. Dieser hatte zum Auftakt mit allerlei Problemen zu kämpfen. Ein chaotischer Reservierungswechsel, nicht ausgezeichnete reservierungsfreie Bereiche und eine Räumung letzterer zum Reservierungswechsel, sowie die Kündigung dutzender Bedienungen trübten den Neustart.

Reichert stand auch persönlich im Zentrum der Kritik, nachdem ein Überwachungsvideo an die Presse gelangt war, auf dem eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Wirt und einem Sicherheitsmitarbeiter zu sehen ist. Außerdem wehrt er sich gegen den Vorwurf, gegen das Lebensmittelhygienegesetz verstoßen zu haben.

Geschichte

Seinen Namen hat das Brauereizelt des ehemaligen Pschorrbräus von einer sagenumwobenen Brauereitochter, die der Legende nach ihre allabendliche Maß Bier hoch zu Ross auf dem Hof der Brauerei zu sich genommen haben und dabei die Braugesellen beeindruckt haben soll. Daher rührt auch das Motiv des Gemäldes, das über dem Eingang des Zeltes prunkt.

Als die Bräurosl 1901 ihre Wiesnprämiere feierte, wurde sie als erstes Bierzelt komplett elektrisch beleuchtet. Beeindruckend war auch dessen Nachfolger von 1913, das mit 12000 Sitzplätzen größte Bierzelt, das jemals seinen Weg auf die Wiesn fand. Von 1936 bis 2019 wurde das Zelt über vier Generationen von der Familie Heide aus Planegg bewirtet, bevor im Jahr 2022 Schönheitskönigin-Wirt Peter Reichert übernahm.

Das aktuelle Zelt wurde 2004 von Grund auf neu errichtet und 2011 nochmals angepasst, vorrangig durch die Verglasung der Fassade und die Bier-Ringleitung, beides bereits im vorher beim Konzernschwesternzelt Winzerer Fähndl (Paulaner Festzelt) erprobt.

Musik und Stimmung

Besonders traditionell war das Musikprogramm der Bräurosl unter Führung der Familie Heide nicht ausgerichtet. Selbst am Nachmittag wurde statt einer Blaskapelle über weite Strecken volkstümliche Musik dargeboten, am Abend war sie zuletzt eines der wenigen Zelte mit recht Mallorquiner Ausrichtung – samt Micky-Krause-Parodie.

Durch den Wirtewechsel sollte die Bräurosl auch musikalisch neu aufgestellt werden. Der neue Wirt Peter Reichert ist selber begeisterter Musikant und räumt bairischer Musik in seinen Betrieben viel Raum ein. Auch die Schönheitskönigin auf der Oidn Wiesn, die er vorher führte, war insbesondere für ihr originelles Musikprogramm bekannt. Für die Bräurosl engagierte er die Kapelle Josef Menzl als Festkapelle, die sich in den letzten Jahren Bierzelte und Blasmusikfestivals zum Kochen brachte und es zu einiger Berühmtheit schaffte.

Nicht bedacht wurde bei dieser erheblichen konzeptionellen Änderung allerdings, dass Teile des bisherigen Bräuroslpublikums Blasmusik nicht nur nicht gewohnt war, sondern gar rigoros ablehnen könnten. Die notwendige Öffentlichkeitsarbeit, um die Publikumsstruktur von Anfang an das neue Konzept anzupassen, blieb seitens Wirt und Brauerei fatalerweise aus. So scheiterte das Experiment bereits im ersten Jahr. Ganz im Gegenteil spielt seit 2023 ab 20, bzw. 19 Uhr (Wochenende) eine Partyband recht verloren auf dem riesigen Podium. Die von uns in die neue Bräurosl gesetzten Hoffnungen, ein traditionelles, aber lebendiges Zelt zu bekommen, wurden damit leider nicht erfüllt.

2024 wollte die Kapelle Josef Menzl kürzer treten und gab die Bräurosl auf, um mehrere Termine im Herzkasperl-Festzelt und der Schützenlisl wahrzunehmen. Das Herzkapserlzelt bekam jedoch keine Zulassung für die Oide Wiesn. In der Bräurosl wird die ehemalige Festkapelel durch die Karolinenfelder, die auch am Rosenheimer Herbstfest als Festkapelle agiert, ersetzt. Obwohl die ihre Sache auch in der Bräurosl gut machen und auch den Abendreservierungen noch etwas Blasmusik servieren, werden sie ab 19, bzw. 20 Uhr abgelöst. Ab dann verliert sich die Partyband Volxxbeat auf der großen Bühne.

Reservierungen 2024

Reservierungen können seit 12. April auf der Internetseite des Zelts getätigt werden - heuer ohne Abfrage von Menübestellungen. Zum Beginn waren die Sonntage und der Feiertag verfügbar. 2024 werden erstmals Tische für die Brauereibox öffentlich vergeben.