Der Trachtenbegriff hat über die Jahre eine deutliche Wandlung erfahren.
Der Begriff Tracht wird gerne zur Benennung einer sehr genauen Vorstellung einer Art Kleidung verwendet. Dass diese Verwendung problematisch ist, wird schnell deutlich, wenn man bedenkt, dass man sich nicht nur im bayerischen Oberland zu bestimmten Anlässen, teilweise aber auch im Alltag einer althergebrachten Kleidungsordnung bedient. Der Begriff „Tracht“ wurde bis Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich auch noch seinem Stamm entsprechend verwendet. Man vereinte in diesem Begriff die Gesamtheit dessen, was ein Mensch nach außen trägt, also nicht nur die Kleidung, sondern auch Frisuren und sogar das allgemeine Auftreten einer Person. Einen Bedeutungswandel hin zum heutigen Verständnis erfuhr der Begriff zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als im Zuge der Romantik das Konzept der Volkstracht aufkam. Damit verbunden war auch die bis heute verbreitete Annahme, es gäbe eine „echte“, „originale“, seit Jahrhunderten unveränderte Bauerntracht.
Zuvor kennzeichnete die Tracht nicht nur die regionale, sondern auch die soziale Herkunft ihres Trägers. Dass man sich ein Gwand fürs Leben fertigen ließ, war weniger Ausdruck einer heimatliebenden Gesinnung, als der finanziellen Möglichkeiten der einfachen Land- und Stadtbevölkerung. Erst durch Aufklärung, Industrialisierung und der Revolutionszeit zu Beginn des 19. Jahrhundert wurden Ständeschranken eingerissen und der einfacheren Bevölkerung die finanziellen Möglichkeiten gegeben, sich modisch zu kleiden. Zusammen mit der Suche nach einer kulturellen Identität im jungen Königreich Bayern, die man gerade im Bauernstand verortete, ergab sich so der bis heute gängige Gegensatz von althergebrachter, beständiger Tracht und der zeitgenössischen Mode. In dieser bewegten Zeit wuchs unter Künstlern, im Bildungsbürgertum und dem Adel das romantisch verklärte Bedürfnis, patriotische Nationalkostüme zu (er-)finden und zu bewahren. V.a. Prinzregent Luitpold (1821-1912) zeigten sich gerne heimatverbunden und volksnah in Lederhose und Janker.
Im Wesentlichen kann man in Bayern übliche Trachten in drei Gruppen einteilen: Die nach historischen Vorbildern gefertigten erneuerte Trachten, die u.a. in den Trachtenvereinen gepflegt werden. Trachtenmode, die sich stark an historischen Trachten orientiert und nur im Detail variiert, so wie sie in Südbayern abseits der Trachtenvereine üblich ist. Die dritte Spielart der Tracht ist eine weitere Variante der Trachtenmode, die sich vom historischen Vorbild weiter entfernt, und als dem Zeitgeist zugewandt, diese nur mehr zitiert.
Meist bezieht sich der Begriff Tracht in allen drei Gruppen auf die oberbayerische Gebirgstracht. Nachdem im ausgehenden 19. Jahrhundert Lodenanzüge am Bayerischen Königshof populär wurden und diese auch in das Bürgertum Einzug hielten, verschwand die Lederhose zunehmend aus den Garderoben. Dies motivierte den Bayrischzeller Lehrer Joseph Vogl zur Gründung des ersten Trachenvereins, um das „althergebrachte Gewand“ zu erhalten. Bereits 1859 wurde ein Verein in Miesbach gegründet, bei dem allerdings zunächst das Schuhplatteln und nicht die Kleidung im Fokus stand. In dieser Zeit wurde die Miesbacher Tracht geschaffen, die in den folgenden Jahrzehnten nach ganz Südbayern exportiert und zahlreiche Vereinsgründungen zur Folge hatte. Die Schaffung und Verbreitung dieser Vereinstracht hatte zur Folge, dass vielerorts regionale Trachten verdrängt wurden. In anderen Fällen aber trug sie dazu bei, eine lokale Kleidungskultur wiederzuentdecken.
Oft wird im Zusammenhang mit Trachtenvereinen der Begriff Volkstracht erwähnt, womit man im Allgemeinen das „natürlich vorhandene“ Gewand meint, das man in einer bestimmten Gegend trägt, bzw. getragen hat. Die Uniformierung ganzer Landstriche, ja ganz Südbayern, in Miesbacher Tracht, hat freilich wenig mit der Erhaltung einer Volkstracht zu tun. Bereits in den ersten Jahrzehnten der Trachtenvereinsbewegung wurde diese deshalb von anderen traditionsorientierten Zeitgenossen sehr kritisch betrachtet. Neben der widersinnigen Verschriftung und Vereinheitlichung einer Volkskultur und der oft daraus resultierenden Herabwürdigung und Ersetzung tatsächlich vorhandener Volkskultur trug zu dieser ablehnenden Haltung bei, dass – aus heutiger Sicht ironischerweise – die Trachtenvereine in der Kirche wenig angesehen waren.
In Chroniken wird heute gerne erwähnt, Trachtler seien früher in der Kirche kritisch beäugt oder gar ausgeschlossen worden, weil sie Gottesdiensten mit kurzen Hosen beiwohnten. Tatsächlich rührt das zunächst angespannte Verhältnis zwischen Kirche und Trachtlern allerdings eher daher, dass sich deren Reihen zu großen Teilen aus Arbeitern, oftmals Bergarbeitern rekrutierten. Und diese waren zu dieser Zeit nicht selten Marxisten und der Amtskirchen gegenüber ablehnend eingestellt, et vice versa. Kommunistische Gesinnung war übrigens auch ein beliebter Grund unter Nationalsozialisten für die Auflösung von Trachtenvereinen im Dritten Reich.
Der heute nach allen Regeln der Kunst kommerziell ausgeschlachtete Begriff der Oktoberfesttracht geht im Wesentlichen auf eine in den 2000ern neu entstandene Welle zurück.