Einen Nürnberger Wiesnwirt? Kann das wirklich sein?

Obwohl die ARD-Serie Oktoberfest 1900 nur lose Inspiration aus wahren Begebenheiten schöpft, basiert die ungeheuerliche, von Mišel Matičević gespielte Hauptrolle des Curt Prank, einem Nürnberger, der quasi im Alleingang die bayerische Bierzeltkultur erschafft, tatsächlich auf einer real existierenden Person.

Der wirkliche Name dieser Wirtslegende ist Georg Lang, der es in Nürnberg als Krokodilwirt zu einiger Berühmtheit schaffte – und zu einem außerordentlichen Selbstbewusstsein. Obwohl er als Nürnberger dafür nämlich gar nicht infrage kam, setze er sich in den Kopf, die erste große Festhalle auf dem Münchner Oktoberfest aufzustellen.

Georg „Schurl“ Lang im Frack, aus der Sammlung des Münchner Stadtarchivs.
Georg „Schurl“ Lang im Frack, aus der Sammlung des Münchner Stadtarchivs.

Um Wiesnwirt zu werden, musste man damals die Lizenz für eine kleine Parzelle von der Stadt München ersteigern, auf der eine Wirtsbude errichtet werden durfte. Aufgrund des Parzellenzuschnitts waren Großbetriebe von vornherein ausgeschlossen. Zwar begann die Ära der Bierburgen mit dem Bau des Winzerer Fähndls bereits 1895 und schon im Jahr darauf folgte mit dem Schottenhammelschen (sic!) Schützenwirt ein weiteres großes, architektonisch anspruchsvolles Zelt, doch handelte es sich hierbei um abseits des Wirtsbudenrings gelegene Schützenzelte und keine herkömmlichen Wirtbuden, weshalb sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.

Ein Großzelt eines Nürnbergers, der zudem einen Geschäftsführer als eigentlichen Wirt einsetzen wollte, war somit eine dreifache Unmöglichkeit. Der finanzstarke Lang setzte sich dennoch durch. Er ließ fünf Münchner Wirte als Strohmänner auf die Parzellen 22 bis 26 bieten, die heute nördlich der Kreuzung Schaustellerstraße-Matthias-Pschorr-Straße lägen, damit er diese zusammenfassen können würde und machte auch aus dem Münchner Magistrat eine Art Fanclub. Trotz der offensichtlichen Umgehung der geltenden Regularien gab es nämlich gerade mal eine einzige Stimme gegen die Zulassung der „I. Bayerischen Riesenhalle“ mit 6000 Plätzen.

In dieser kam im Prämierenjahr das Märzenbier der Münchnerkindl-Brauerei zum Ausschank, deren Bierkeller er auch von 1900 bis 1902 betrieb, und wie dem Werbeplakat zu entnehmen, kümmerten sich ganze 120 Mitarbeiter um das Wohl der Gäste. Doch wegweisend sollten nicht nur die Dimensionen der neuen Festhalle sein, sondern auch die dargebotene Unterhaltung. Georg Lang kann sich nämlich auch als Erfinder der Bierzeltstimmung feiern lassen.

Später wechselte Lang von der Münchnerkindl- zur Augustinerbrauerei und folgte dem Trend zur Bierburg. Foto von Pettendorfer aus der Sammlung des Münchner Stadtarchivs
Später wechselte Lang von der Münchnerkindl- zur Augustinerbrauerei und folgte dem Trend zur Bierburg. Foto von Pettendorfer aus der Sammlung des Münchner Stadtarchivs

Ab zehn Uhr wurden täglich „Grosse Frei-Concerte der originellen Hauskappelle (30 Mann im Oberländlercostüm)“ geboten, und das, ganz zur Freude der Gäste und der Polizei, „ohne Sammeln“, wie es das erste Werbeplakat versprach. Das fand bei den Gästen so großen Anklang, dass bereits zwei Jahre darauf die Zahl der Wirte, die noch auf eine Kapelle verzichteten, auf gerade einmal drei geschrumpft war.

Noch spektakulärer waren aber die „50,000 Liederbücher mit den neuesten Melodien gratis“, die verteilt wurden um die Zeltbesucher zum Mitsingen zu animieren. Mangels Mikrofonen und Lautsprechern war das Singen für die Kapellen selber damals unüblich. Zwar sind die Liederhefte leider in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwunden, doch eine weitere Innovation des Krokodilwirts hat sich bis heute gehalten. Bereits im ersten dieser Hefte fand man ein damals nur wenig bekanntes Lied, das heutzutage spätestens ab der zweiten Maß jeder Tourist mitzusingen vermag: Ein Prosit der Gemütlichkeit.

Titelfoto: Dittmar Bernhard, aus der Sammlung des Münchner Stadtarchivs