Die Umgestaltung der Bräurosl geht deutlich weiter als ursprünglich gedacht.

Wenn das mal keine Überraschung ist: Die Bräurosl, die die längste Zeit ihrer Existenz an einer Fachwerkfassade zu erkennen war, wird entgegen unserer Erwartung vollständig umgestaltet und bekommt sogar eine gänzlich neue Fassade. Noch erstaunlicher dabei ist, dass sich der Neubau zumindest teilweise an historischen Vorbildern orientiert, was hervorragend zur neuen, traditionelleren Ausrichtung des Zelts passt.

Die Pschorr-Bräurosl war ab 1901 das Brauereizelt des Pschorrbräus, der 1972 mit Hacker familienintern fusionierte, bald darauf jedoch von der Paulanergruppe geschluckt wurde. Paulaner ist weder in München noch auf der Wiesn für großes Traditionsbewusstsein bekannt. Im Falle seines Konzernzelts wurde sogar 2019 erst entschieden, sich vollständig von seiner Geschichte zu lösen und selbst den althergebrachten Namen Winzerer Fähndl durch das generische „Paulaner-Festzelt“ zu ersetzen. Deshalb sind wir über die Neuausrichtung des Zelts ebenso erstaunt wie erfreut.

Die neue Entwurf der Fassade (Wildsfeuer Architekturbüro)
Die neue Entwurf der Fassade (Wildsfeuer Architekturbüro)

Die Neugestaltung ist also deutlich interessanter als gedacht und deshalb möchten wir bereits vorab einen Blick auf die Entwürfe des Architekturbüros Wildsfeuer werfen, die Paulaner freigegeben hat. Prinzipiell begrüßenswert ist es, dass man keinerlei Hüttenästhetik übernimmt, wie sie in den letzten Jahren Jahrzehnten doch etwas arg überhandgenommen hat. Ganz im Gegenteil wird sogar die Form des Firsts von einer runden Schaufassade kaschiert, wie einmal sehr populär auf der Wiesn war.

Inspiriert wird die neue Fassade im Falle der Bräurosl von einem Vorgängerbau aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Das Farbschema war damals jedoch ein gänzlich anderes. Statt der Farben Blau und Rot dominiert in der zeitgenössischen Reinkarnation Grün. Leider wurden nicht auch die Seitentürme übernommen, die das Original deutlich auflockerten. Als Hommage an die Bräurosl der letzten Jahrzehnte darf man die beiden Maibäume vor dem Zelt verstehen. Auf den Entwürfen wirken diese allerdings wie Fremdkörper.

Die Bräurosl auf dem Oktoberfest 1910. Foto: Pettendorfer, Quelle: Stadtarchiv München
Die Bräurosl auf dem Oktoberfest 1910. Foto: Pettendorfer, Quelle: Stadtarchiv München

Wie es bei allen Neubauten der Firma Pletschacher in den letzten Jahren der Fall war, bekommt auch die neue Bräurosl eine Rundumgalerie. Ähnlich wie im Hackerzelt wird ein Teil davon an der Südseite außerhalb liegen und dem Garten zugesprochen. Damit bleibt die Kapazität im Biergarten unangetastet, obwohl ebenerdig einige Tische verloren gingen. Zur Straße 4 hin grenzt der Biergarten direkt an die Straße, wie bei der Ochsenbraterei, ohne dabei, wie von allen anderen Zelten östlich der Wirtsbudenstraße gewohnt, von Standln eingerahmt zu werden. Eine deutliche Aufwertung dieser Seite dürften die beiden, die Eingänge einrahmenden Pavillons darstellen.

Die Südansicht mit dem Biergarten samt Balkon (Wildsfeuer Architekturbüro)
Die Südansicht mit dem Biergarten samt Balkon (Wildsfeuer Architekturbüro)
Eine andere Ansicht des südlichen Biergartens (Wildsfeuer Architekturbüro)
Eine andere Ansicht des südlichen Biergartens (Wildsfeuer Architekturbüro)

Auch im Innenraum gehen die Architekten ganz neue Wege mit dem weiß-grünen Farbschema. Auch hier ist es schön, dass zur Abwechslung keine Brauntöne dominieren, wie es zuletzt bei immer mehr Zelten der Fall war. Die ausschließlich hellen Tuchbahnen kennt man so aus keinem anderen Zelt Zu den bekannten mit Hopfen bedruckten Bahnen kommen in Zukunft nämlich weitere helle Bahnen. Die ansonsten vorherrschende Kombination aus weiß und grün drängt einen Vergleich zum Armbrustschützenzelt auf, wo diese gut funktioniert. Auf den Entwürfen ist der Luftraum bislang recht leer. Lediglich über den Galerien hängen Kränze unter der bis zu 15 Meter hohen Hallendecke. Man darf gespannt sein, ob dies wirklich so bleibt.

Der Luftraum ist auf den Entwürfen ungewöhnlich leer (Wildsfeuer Architekturbüro)
Der Luftraum ist auf den Entwürfen ungewöhnlich leer (Wildsfeuer Architekturbüro)

Da auch auf die Beleuchtung in den Entwürfen noch nicht eingegangen wird, lässt sich der Eindruck des Innenraum bislang kaum abschätzen. Es ist davon auszugehen, dass tonnengewölbeartig wie im Augustiner- und dem Löwenbräuzelt beleuchtet wird. So war dies auch in der Bräurosl früher schon einmal der Fall.

Die Bühne bleibt mittig, die Beleuchtung wird vermutlich tonnenförmig angebracht (Wildsfeuer Architekturbüro)
Die Bühne bleibt mittig, die Beleuchtung wird vermutlich tonnenförmig angebracht (Wildsfeuer Architekturbüro)

Das Mittelschiff wird doppelreihig bestuhlt. Für uns nicht verständlich ist allerdings, wieso zwischen den einzelnen Reihen Wände eingezogen werden. Somit wird eine Doppelreihe für eine Partei uninteressant. Die ebenerdige Sitzkapazität verringert sich aufgrund der Verlagerung vieler Tische in den ersten Stock deutlich. Insgesamt werden im Innenraum allerdings 290 Plätze hinzugewonnen, womit künftig 6490 durstige Kehlen bewirtet werden können. Die Verlagerung von Sitzplätzen ins Obergeschoß, insbesondere aus dem Mittelschiff, ist erfahrungsgemäß der Stimmung im Zelt leider nicht zuträglich.

Unklar ist uns der Nutzen der Wände in den Doppelreihen (Wildsfeuer Architekturbüro)
Unklar ist uns der Nutzen der Wände in den Doppelreihen (Wildsfeuer Architekturbüro)

Alles in allem freut uns diese außergewöhnliche Gestaltung und wir werden den Erstaufbau besonders detailliert den Sommer über dokumentieren.