Die heute so unscheinbare Spatenbrauerei war einst der Marktführer in München.

Im 14. Jahrhundert war das Bierbrauen in München eine Angelegenheit der Patrizier. Nur solchen war es nämlich gestattet, eine Braugerechtigkeit zu erwerben. Eine Reihe von Missernten gegen Ende des Jahrhunderts drückte bedingt durch den gesetzlich vorgeschriebenen Bierpreis die Rentabilität der Brauereien, weshalb eine wachsende Zahl an Brauereien ihren Betrieb einstellte. Zusammen mit einem deutlichen Bevölkerungswachstum führte dies nicht nur für eine Bierunterversorgung der städtischen Bevölkerung, sondern auch zu schwindenden Steuereinahmen. Infolgedessen erlaubte Herzog Stephan II. mit der Hafte am 7. August 1372 auch allen Bürgern den Erwerb einer Braugerechtigkeit.

Das Gemälde von J. Kirchmais aus 1840 zeigt im zweiten Gebäude von links den Spatenbräu in der Neuhauser Straße.
Das Gemälde von J. Kirchmais aus 1840 zeigt im zweiten Gebäude von links den Spatenbräu in der Neuhauser Straße.

Diese Neuerung, die heute oft als Beginn des gewerblichen Brauens verstanden wird, führte unter anderem zur Gründung einer Brauerei durch Hans Welser in der Neuhauser Straße 4 im Jahre 1397. Diese wurde 1622 von Georg Spät, der bereits den Unterspatenbräu führte, übernommen und seinem Namen entsprechend Oberspatenbräu getauft. Während der Betrieb des Unterspatenbräus 1832 am Oberen Anger eingestellt wurde, wurde aus dem Oberspatenbräu nach der Übernahme des Hofbraumeisters Gabriel Sedlmayr 1807 aus der kleinsten bald die größte Brauerei in München.

Der aus einer Maisacher Brauerfamilie stammende Sedlmayr war ein besonders versierter und innovationsgetriebener Vertreter seiner Zunft. Bereits im Jahr der Übernahme stellte er die herkömmliche Rauchröstung des Malzes auf die Röstung mittels Dampf um und war ebenfalls einer der ersten, die sich eines Thermometers als Hilfsmittel bedienten. Inspiration holte er sich dabei aus dem Ausland, insbesondere aus London, wo die Industrialisierung der Brauerei bereits weit fortgeschritten war. 1821 war Sedlmayr der erste Münchner Brauer, der sich eine Dampfmaschine anschaffte. 1827 wurde ihm der Betrieb einer zweiten Brauerei im bereits 1811 hinzugekauften Hallerbräustadel am Hauptbahnhof gestattet, wodurch er in die Klasse der Bierbarone aufstieg.

Nach dem Tod von Gabriel Sedlmayr dem Älteren 1839 wurde der Spatenbräu zunächst von seinen beiden Söhnen Gabriel und Josef weiterführt, bis Josef nur drei Jahre später aus dem Betrieb ausstieg, um mit dem Kauf des Leistbräus ein eigenes Unternehmen zu führen. Die Spatenbrauerei selber erfreute sich äußerte großer Popularität, sodass Gabriel Sedlmayr nach weiteren Expansionsmöglichkeiten suchte und nach der Übernahme des Silberbauerkellers in der Marsstraße, die gesamte Brauerei ab 1851 innert drei Jahren von der Neuhauser Straße in die Maxvorstadt verlegte, wo sie sich heute noch befindet.

Spaten stieg in den Folgejahren zum Münchner Branchenprimus auf. 1882 wurde mit dem Arzberger Keller ein Bierpalast eröffnet, wie sie zu dieser Zeit die großen Münchner Brauereien als gastronomische Vorzeigeobjekte bauten. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde der Bierkeller leider nicht wiederaufgebaut. An seiner Stelle in der Nymphenburger Straße steht heute das Strafjustizzentrum.

1884 schuf der Graphiker Otto Hupp, der von vielen Münchner Brauerei beschäftigt wurde, das bis heute bestehende Spatenemblem. Der Spruch, „lass die raten, trinke Spaten“ folgt erst 1924.

1891 erhielt der Erfolgskurs der Brauerei mit dem Tod des Gabriel Sedlmayr des Jüngeren jedoch einen herben Dämpfer. Der Betrieb wurde zwar bereits seit 1874 von seinen drei Söhnen sehr erfolgreich geführt, doch bedeutete seine testamentarische Verfügung, jede seiner fünf Töchter mit einer Million Gulden zu bedenken, einen erheblichen Eingriff in das Eigenkapital der Brauerei. 1922 fusionierte sie mit der anderen Brauerei der Familie, zum Namensungetüm Spaten-Franziskaner-Leistbräu. Produziert wurde sowohl in der Mars- als auch in der Hochstraße am Nockherberg.

1922 ging die neue Aktiengesellschaft auch eine Kooperation mit der inzwischen zum Marktführer aufgestiegenen, benachbarten Löwenbräu AG ein. Nach den Weltkriegen konnten die Münchner Brauerei nicht wieder zu ihrer einstigen Stärke am Weltmarkt zurückkehren und wurden von den neu entstehenden Biergiganten abgehängt. Auf die endgültige Fusion von Spaten und Löwenbräu im Jahr 1997 folgte bereits 2003 die Übernahme durch die inzwischen zu ABInbev fusionierte Interbrew. Spaten erlebt dadurch einen beispiellosen Abstieg von einer der einflussreichsten Brauerei der Industrie, die sich auf die Fahnen schreibt, 1894 das helle Bier in München eingeführt zu haben, zu einer Regionalmarke eines Weltkonzerns, der mit ihr offensichtlich nichts anzufangen weiß und sie möglicherweise nur der Wiesn wegen notdürftig am Leben hält.