Herbstfeste sorgten für Zerstreuung in Krisenzeiten.
Findet das Oktoberfest 2022 statt? Es gibt derzeit keine Frage, die uns häufiger erreicht. Seit 1949 haben 70 Oktoberfeste am Stück stattgefunden, bis Covid-19 dieser längsten Serie der Geschichte der Wiesn ein Ende bereitete. Tatsächlich hat die Wiesn in Ihrer Geschichte bereits mehrere unsichere Zeiten erlebt. Deshalb möchten wir einmal 100 Jahre zurück blicken.
In der Vergangenheit war eine Wiesnabsage nicht immer gleichbedeutend mit dem vollständigen Verzicht auf ein Volksfest auf der Theresienwiese. Im 20. Jahrhundert gab es immerhin fünf Ersatzoktoberfeste in Jahren, in denen an die Durchführung eines richtigen Oktoberfestes nicht zu denken war, die Volksfestlust der Münchner einen Totalverzicht jedoch auch nicht zuließ. Vermutlich wird auch derzeit manch ein Entscheider über ein solches Szenario nachdenken.
Das erste Fest ohne Königshaus
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieg musste München erstmals im 20. Jahrhundert auf seine Wiesn verzichten. Von 1914 bis 1918 fielen ihm fünf Ausgaben zum Opfer und das Jahr 1918 markierte auch für den Fortgang der Oktoberfestgeschichte einen Einschnitt: Am 7. November begann mit einer Kundgebung auf der Theresienwiese die Novemberrevolution in Bayern, die König Ludwig III. noch am gleichen Tag zur Flucht aus der Stadt veranlasste.
Mit dem Ende der bayerischen Monarchie verlor auch das Oktoberfest seinen Dreh- und Angelpunkt. Schließlich diente es doch seit 1810, nur vier Jahre nach der Gründung der Königreichs, zur Huldigung der Königsfamilie und sollte als bayerisches Nationalfest nicht zuletzt zur Entstehung einer bayerischen Nationalidentität beitragen. Dass die Wiesn jedoch auch sich selbst genug sein könnte und ein Königszelt nicht zwingend für Ihren Erfolg benötigt, war für die bayerischen Schützenvereine schnell eine ausgemachte Sache und so organisierten diese 1919 ein „Herbstfest“ auf der Theresienwiese.
Und das, obwohl in dieser ärmlichen Zeit noch nicht einmal die grundlegende Versorgung der Bevölkerung sichergestellt war. An einen Verkauf von Hendln oder gar Ochsen war nicht zu denken und so hielt sich die Begeisterung über das Dünnbierfest, das täglich bereits um 18:30 Uhr zu schließen hatte, in Grenzen. Immerhin ein großer Schützenzug mit 4000 Teilnehmern konnte stattfinden.
Auch 1920 bringt einschneidende Veränderungen
1920 kehrte die Lust am Feiern schließlich wieder in die ausgemergelten Münchner Seelen zurück. Nicht zuletzt wegen des nun wieder möglichen Vollbierausschanks sprach man bereits von einem kleinen Oktoberfest. Um sicherzustellen, dass der unsichere Fortbestand der Wiesn gesichert war, gründete sich zudem ein Verein zur Erhaltung des Münchner Oktoberfestes.
Dieses Jahr brachte auch bereits zukunftsweisende Veränderungen in der Bebauung der Theresienwiese. Der mangels Königszelt unnütz gewordene Wirtsbudenring wurde nahezu vollständig aufgelöst und die einst dort beheimateten Festhallen des Bürgerbräus, Franziskanerbräus, Löwenbräus, Thomasbräus, Wagnerbräus und des Weißen Bräuhaus gliederten sich nun teilweise in die spätere Wirtsbudenstraße und ihre Seitenstraßen ein. 1921 läutete dann das erste richtige Oktoberfest schließlich ein rauschendes Jahrzehnt ein.
Auch die nächste Kriegszeit folgten einige Ersatzfeste. Den Herbstfesten nach dem zweiten Weltkrieg haben wir einen eigenen Artikel gewidmet.