So ist es 1810 zur öffentlichen Feier der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und seiner Therese gekommen.
Die über 200-jährige Erfolgsgeschichte des größten Volksfestes der Welt geht zurück auf ein Pferderennen am 17. Oktober 1810, das zur Feier der Hochzeit zwischen Kronprinz Ludwig und Therese Charlotte Luise Friederike Amalie von Sachsen-Hildburghausen veranstaltet wurde. Soweit der vielen Wiesnbesuchern noch bekannte Teil. Doch wie viele der unzähligen Italiener, die jedes Jahr zur Festa della Birra strömen, wissen, dass einer der ihren sogar für dessen Genese verantwortlich war? Oder sind sich die Münchner Taxler dessen bewusst, dass ihr Hauptumsatzbringer von einem ihrer Vorgänger, einem Lohnkutscher initiiert wurde?
Die Hochzeitsfeier in der Stadt
Nachdem bereits der Umzug Thereses nach München einem Festzug gleichkam, dem viele tausend Bayern zujubelten, wurde nach der Hochzeit am 12. Oktober fünf Tage lang gefeiert. Der Hochzeitstermin war übrigens nicht ganz zufällig gewählt – der 12. Oktober war der Namenstag von Ludwigs Vater, König Max I. Nach der kräftezehrenden Gründung des Königreichs kam dem Königshaus eine Möglichkeit, sich selbst als solches zu inszenieren und die junge Nation zu feiern, gerade recht. Am Abend des 12. Oktober wurde die Trauung in der Hofkapelle der Residenz abgehalten, die große öffentliche Feier folgte am Abend darauf. Ganz München würde für diesen Anlass hell erleuchtet. Mit aufwendigen Illuminationen wurden öffentliche und private Gebäude geschmückt. Der Max-Joseph-Platz wurde mit einer Vorbereitungszeit von sechs Wochen mit einem Tempel, Säulen, Bäumen und Lichtinstallationen dekoriert. An vielen Gebäuden wurden von hinten beleuchtete Gemälde und beleuchtete Schriftzüge angebracht. Wohlhabende Münchner, Wirte und Geschäftsleute ließen sich ebenfalls nicht lumpen und eiferten um die Wette mit ihren prachtvollen Illuminationen. Bankier und Wiesngründer Andreas von Dall’Armi tat sich beispielsweise durch eine Bavaria mit Löwen hervor, die die Fassade seines Hauses am Rindermarkt schmückte.
Ganz München war an diesem Abend auf den Beinen. Die oberen 6000, um genauer zu sein die Mitglieder der Nationalgarde und ihre Familien, waren in vier Gasthäuser zum Essen und zum Tanz geladen. Alle übrigen Münchner wurden in der Innenstadt im Freien verköstigt. Am Marienplatz, am Promenadenplatz, in der Neuhauser Gasse und am Anger wurden Tische und Bänke aufgestellt und 32065 Semmeln, 3992 Pfund Schweizerkäse, 80 Zentner gebratenes Schaffleisch, 8120 Cervelatwürste und 13300 Paar geselchte Würstl ausgegeben. Dazu kamen 232 Hektoliter Bier und vier Hektoliter österreichischer Weißwein. Zum Tanz spielten insgesamt 150 Musikanten auf und zwei Volkstheater öffneten ihre Tore zu kostenlosen Vorstellungen. Bereits einen Tag zuvor durften erstaunlicherweise die Münchner Häftlinge feiern. Diesen finanzierte die israelitische Gemeinde eine Ausspeisung.
Nach mehreren kleineren elitären Privatfeiern, konnte sich die übrige Stadtbevölkerung auf ein weiteres großes Volksfest nur vier Tage später, das Pferderennen vor dem Sendlinger Berg, freuen.
Die Organisation des Pferderennens
Der Legende nach machte Lohnkutscher Franz Baumgartner, der zu jener Zeit als Unteroffizier der Kavalleriedivision der Nationalgarde dritter Klasse seine Wehrpflicht leistete, am 28. September den Vorschlag, der Hochzeit des Prinzenpaares mit einem Pferderennen zu huldigen. Sein Vorgesetzter, der aus Trient stammende Major Andreas von Dall’Armi, griff diese Eingebung begeistert auf und leitete sie am 2. Oktober an König Max I. Joseph weiter. Bereits am 5. Oktober lag dessen positive Antwort vor und so wurde in nur 12 Tagen eine Großveranstaltung organisiert, die sich schnell zu einem Nationalfest verwandelte. Berühmt wurde die Reaktion von Kronprinz Ludwig auf das Festprogramm: „Volkfeste freuen mich besonders. Sie sprechen National-Charakter aus, der sich auf Kinder und Kindes-Kinder vererbt. Ich wünsche nun auch, Kinder zu erhalten und sie müssen gute Baiern werden, denn sonst würde ich sie mir minder wünschen können. Der König, mein Vater, hat mich auch zum guten Baier gebildet.“ Anders als zu dieser Zeit fast ausschließlich üblich, richtete sich das Fest also nicht an eine religiöse, sondern an eine nationale Gemeinschaft.
Gerda Möhler zweifelt in ihrer Dissertation an dieser Legende der Oktoberfestgründung „von unten heraus“. Sie nennt hierfür drei Gründe:
1. Zeitliche Ungereimtheiten: Nicht nur war die Genehmigung des Festes innert nur drei Tagen sehr zügig, merkwürdigerweise waren die Einladungen bereits am 4. Oktober fertig gedruckt und bereits an Würdenträger verteilt. Außerdem wurden am Fest Kinder in Trachten präsentiert, die vermutlich für diesen Anlass zu produzieren waren. Auch dies scheint in dieser kurzen Zeit zumindest sportlich.
2. Baumgartner soll seinen Vorschlag beim Exerzieren der Nationalgarde vorgetragen haben. Da die Nationalgarde jedoch außerhalb des Pferderennens kein offizieller Teil der Feierlichkeiten war, stellt sich die Frage, wofür man im September exerzierte, wenn nicht für das Pferderennen?
3. Dall’Armi begründete in seiner Eingabe die Veranstaltung eines Pferderennens mit der Förderung der bayerischen Pferdezucht. Die letztendliche Ausgestaltung des Rennens aber ließ eine vorherrschende Leistungsorientierung vermissen, die dieses Ansinnen gerechtfertigt hätte.
Somit sind Zweifel angebracht, ob sich das Oktoberfest wirklich mehr oder weniger zufällig aus einem Pferderennen heraus entwickelte. Es scheint durchaus wahrscheinlich, dass dem jungen Königreich gezielt ein Nationalfest zur Inszenierung des Königshauses verordnet wurde.
Der Ablauf des ersten Oktoberfestes
Die Feierlichkeiten am 17. Oktober 1810 begannen zunächst im Bürgersaal, wo eine Feldmesse gefeiert wurde. Anschließend zog die Nationalgarde zusammen mit regulären Einheiten des Militärs zur damals noch namenlosen Festwiese. Dort folgte eine Huldigung der Hochzeiter und des Königshauses in Form eines Zuges aus 16 Kinderpaaren, der zum Königspavillon gegenüber der Sendlinger Anhöhe zog. Die Kinder waren in Trachten der Wittelsbacher, der neun bayerischen Kreise sowie weiterer Regionen gekleidet. Darauf folgte eine Darbietung eines Chors aus Feiertagsschülern, bevor schließlich das Festrennen mit 30 Pferden auf einer 11565 Schuh (3370 Meter) langen Rennbahn folgte.
Vor 40000 Zuschauern überquerte das Pferd des bereits erwähnten Nationalgardisten und Lohnkutschers Franz Baumgartner nach drei Runden als erstes die Ziellinie. Seine Goldmedaille bekam er von Rennmeister und Staatsminister Maximilian Graf von Montgelas überreicht. Vom Erfolg dieser Großveranstaltung beseelt, bat König Maximilian I. Joseph noch während des Festes darum, den Festplatz des ersten Nationalfestes zum Gedenken an die Braut Theresens Wiese zu nennen.
Auf der Festwiese selber fand dabei nur das eigentliche Rennen statt. Die Besucher schauten diesem von der natürlichen Tribüne der Sendlinger Anhöhe zu und verköstigten sich ebendort bei den temporär niedergelassenen „Traiteurs“, u.a. mit Bier und Wein. Das einzige Gebäude, das auf der Wiese aufgestellt wurde, war der Königspavillon gegenüber der Tribüne. Da nicht viel Zeit zum Bau eines Zeltes hierfür vorhanden war, bediente man sich eines türkischen Audienzzeltes, das Kurfürst Max Emanuel 1687 im Türkenkrieg erbeutete. Militär und Nationalgarde sicherten sowohl das Königszelt als auch die Rennstrecke.
Wieso überhaupt ein Pferderennen?
Nun liegt es freilich nicht auf der Hand, die Feier einer Hochzeit mit einem Pferderennen zu begehen, schließlich gäbe es hierfür viele weitere denkbare Ausprägungen. Dass in München ein „Rennerts“ für diesen Anlass gewählt wurde, hat seinen Grund im Scharlachrennen, dass ab 1448 vor dem Karlstor abgehalten wurde. Sein Name wurde von dem roten Tuch abgeleitet, dass der siegreiche Reiter überreicht bekam. Für große Erheiterung sorgte aber auch der Letztplatzierte. Dieser durfte sich nämlich damit abmühen, die „gewonnene“ Sau, die sprichwörtliche Rennsau, nachhause zu bringen. Diese im Rahmen der Jakobidult stattfindenden Rennen waren den älteren Münchnern zum Zeitpunkt der königlichen Hochzeit noch in Erinnerung. Ihre Tradition hielt sich schließlich bis 1786. Ein Widerbelebungsversuch durch Kurfürst Karl Theodor scheiterte 1793, da der Stadtmagistrat damals ein Scheibenschießen für die Dult bevorzugte.