Die Wiederverkaufsplatform der meisten Zelte wirft mit ihrem kostenpflichtigen Reservierungsalarm Fragen auf.

Dass ein Zweitmarkt für Wiesnreservierungen seine Berechtigung hat, liegt auf der Hand, schließlich müssen diese bereits Monate vor dem Leistungseintritt getätigt werden und die Welt dreht sich während der Monate des Wartens unweigerlich ganz schön oft weiter. Schon seit vielen Jahren gibt es eine private Wiesntischbörse, auf der sich allerdings in erster Linie Schwarzhändler tummeln. Dem haben wir, inzwischen auch schon vor einigen Jahren, eine Facebookgruppe entgegengesetzt, in der wir rigoros jeden sperren, der Reservierungen gewinnbringend anbietet oder willig ist, solche Angebote anzunehmen. Der Fokus unserer Bemühungen liegt aber im Kern auch gar nicht auf der Weitergabe ganzer Reservierungen, sondern eher dem Anbieten einzelner Plätze, damit man nicht immer in die gleichen bekannten Gesichter am Wiesntisch schauen muss.

Auch das Wirtschaftsreferat und die Wiesnwirte haben den Bedarf an solchen Angeboten erkannt - letztere möchten ja auch nicht die Kontrolle über ihre Reservierungen verlieren. Manche Wirte bieten ihrer Kundschaft an, nicht mehr ausreichend geliebte Reservierungen auf ihrer Internetseite zur Weitergabe anzubieten, die meisten der großen Zelte setzen jedoch auf das Angebot ihres Reservierungssystem-Anbieters Festzelt OS, das den klangvollen bairischen Namen Oktoberfest-Booking bekommen hat. Der Erfolg der Wiederverkaufsplattform ist bislang jedoch überschaubar. Heuer waren beispielsweise bislang ganze sieben Samstagabendreservierungen im Angebot. Dass sich das in Zukunft großartig ändert, ist nicht zu erwarten, weil diejenigen, die über wertvolle Reservierungen verfügen und diese alle Jahre wieder bekommen, ein Nichterscheinen nicht mit dem Reservierungsbüro teilen möchten, um die Reservierung nicht für die Zukunft zu verlieren.

Unbedeutend ist der Plattformbetreiber Festzelt OS dennoch keineswegs. Alle großen Wiesnzelte, bis auf das Löwenbräuzelt und die Käfersche Wiesnschänke, wickeln ihre Reservierung über dessen Server, ab. Das ist auch der Grund, wieso auch alle anderen Reservierungsformulare nicht mehr aufrufbar sind, wenn ein einziges Zelt interessante Zeiten ausschreibt und damit für gewöhnlich Festzelt OS überlastet.

Als die Wirte 2023 dazu verpflichtet wurden, ein Wiederverkaufsportal anzubieten, wurde ihnen noch ausdrücklich untersagt, eine Wiederverkaufsgebühr zu verlangen. Eigenartigerweise wurde schon im Folgejahr ein neues Ziel definiert, nämlich dass der Betrieb der Plattform kostenneutral sein sollte. Deshalb wurde dem Betreiber erlaubt, selber zusätzlich eine Reservierungsgebühr zu erheben und sich die Kosten für die Zahlungsabwicklung erstatten zu lassen. Da sich mit der überschaubaren Anzahl an Reservierungen aber weiterhin kein wesentlicher Umsatz machen lässt, hat sich Festzelt OS für 2025 etwas Neues einfallen lassen, nämlich den Reservierungsalarm.

Einen solchen kann man für eine bestimmte Kombination aus Zeit, Tag und Zelt setzen, wobei nur eine der drei Werte beliebig sein darf. Berechnet werden für die Benachrichtigung via E-Mail 9,99 € pro Jahr, für die Benachrichtigung via E-Mail und Whatsapp 39,99 €. Wenn ein man beispielsweise über alle Abendreservierungen in einem Zelt informiert werden möchte und zusätzlich über alle Reservierungen aller Abendreservierungen an einem bestimmten Tag, müssen zwei Alarme bestellt werden. Dafür wird man im Fall der Fälle bereits zehn Minuten vor der Veröffentlichung eines Angebots benachrichtigt.

So wird der Reservierungsalarm beworben.
So wird der Reservierungsalarm beworben.

Das heißt also, wenn die Nachfrage das Angebot an wertvollen Reservierungszeiten deutlich übersteigt, ist es unmöglich ohne eine solche Reservierung ohne den Alarm zu erwerben, weil nur Nutzer, die schnell genug reagieren, zum Zug kommen können. Aufgrund der geringen Anzahl interessanter Angebote und der prominenten Platzierung des Portals in der Presse, nicht zuletzt dank des Verbraucherportals Bayern, dürfte die kritische Anzahl leicht erreicht sein. Selber haben wir bis heute gerade einmal sieben Angebote für alle Zelte am mittleren Samstagabend erhalten und zwei für alle Abende im Hackerzelt. De facto ist es also nicht möglich, eine solche wertvolle Reservierung ohne den Reservierungsalarm zu bekommen. Gleichzeitig ist der Nutzen des Alarms für den Einzelnen dennoch verschwindend gering, da es ja kaum etwas zu kaufen gibt und im Zweifelsfall ein anderer Abonnent schneller ist.

Der Reservierungsalarm hat aber noch einen zweiten Aspekt: Bereits im April wies uns ein Leser darauf hin, dass Oktoberfest-Booking ihm eine E-Mail über die Verfügbarkeit regulärer Abendreservierung für das Armbrustschützenzelt geschickt hat. Wir selber haben diese E-Mails als normale Rundbriefabonnenten nicht erhalten. Einer weiteren Leserin wurde auf Nachfrage von Oktoberfest Booking etwas kryptisch bestätigt, dass man „zudem über Zeltöffnungen mit [dem] Reservierungsalarm“ informieren könne. Auf eine Anfrage unsererseits wurde leider bislang nicht reagiert.

So sieht ein Reservierungsalarm für reguläre Reservierungen aus. Die Schaltfläche führt zum Reservierungsformular des Armbrutschützenzelts, nicht des Wiederverkaufsportals.
So sieht ein Reservierungsalarm für reguläre Reservierungen aus. Die Schaltfläche führt zum Reservierungsformular des Armbrutschützenzelts, nicht des Wiederverkaufsportals.

Wenn also der Reservierungssystemmonopolist seine zahlenden Kunden aufgrund seines exklusiven Datenzugangs automatisch und ohne Zeitverlust seinen zahlenden Abonnenten zusendet, bedeutet das letztendlich, dass auch die bislang frei verfügbaren Reservierungen hinter einer Bezahlschranke verschwinden. Wenn der Reservierungsalarm seinen Dienst zuverlässig tut, wird sein Angebot großen Anklang finden und ihn letztendlich als Reservierungswächter sehr mächtig machen. Angesichts des großen Andrangs mögen 9,99 €, bzw. 29,99 € unterhalb eines marktgerechten Preises liegen. Abgesehen davon dürfte der günstigere E-Mail-Alarm eh heute schon wertlos sein, aufgrund des Geschwindigkeitsnachteils zu Whatsapp.

Und wieso sollte man für einen Freitagabend überhaupt das Gleiche zahlen wie für einen Montagvormittag? Könnten die Wirte nicht einfach ein paar Samstagabendtische ins Formular stellen, um den Abonnementverkauf anzukurbeln? Dafür kann man ja mal über die Lizenzkosten für Festzelt OS sprechen, oder eine Umsatzbeteiligung, oder... Denkbar wäre vieles und die Verantwortlichen wären wohl gut beraten, sich selber darüber Gedanken zu machen, wie mächtig man den Monopolisten wirklich machen will.

Bereits letztes Jahr haben wir über eine Agentur berichtet, mit der mehrere Wiesnwirte zusammengearbeitet haben, was im Zuge der Beteuerungen, gegen überteuerte Angebote vorzugehen, nicht sonderlich gut ausschaut. Zumindest öffentlich scheint die Agentur diesen Geschäftszweig eingestellt zu haben. Ebenfalls nicht so ganz ins Bild passen will, dass das Wirtschaftsreferat selber auch Wiesnreservierungen verkauft, in Kombination mit einem Wiesnkrug (34,90 €), einem Gutschein für eine Führung (20 €), einer Fahrt mit dem Riesenrad (2024 10 €) und einer mit dem Russenrad (2024 4,50 €). Dazu kommt der jeweils abzunehmende Mindestverzehr. Im Beispiel der Fischer-Vroni sind das 70 €, was bei einem Verkaufspreis von 164 € eine immer noch übrig bleibende eingebaute Lücke, also Gebühr, von 24,60 € pro Person ergibt.

Angesichts der knapp 25 € Gebühr, also 250 € pro Tisch, die das Tourismusamt im Gesamtpreis berücksichtigt, wird sich vielleicht auch schon manche Wirte die Frage gestellt haben, wieso sie eigentlich nur 1,50 € pro Gast verlangen dürfen. Das städtische Angebot ist freilich immer noch deutlich besser als das, was man bei Portalen wie Viator angeboten bekommt, doch stellt sich schon die Frage, ob ein städtisches Angebot den Eindruck erwecken sollte, dass man für einen Sitzplatz auf der Wiesn 164 € bezahlen muss und das 25 € (Reservierungs-) Gebühr eine gute Geschichte erzählen. Freilich verursacht ein solches Angebot einen Aufwand, der bezahlt werden will. Nur muss das Wirtschaftsreferat sich denn wirklich in diese Grauzone herabbegeben?

Eine Anmerkung am Rande: Im Mindestverzehr des Schützenzelts ist selbst in diesem Angebot das Brotzeitbrettl enthalten, das im Reservierungsformular des Zelts als Konsumminimum vorausgewählt ist - zusätzlich zum tatsächlich den städtischen Regeln entsprechenden Mindestverzehr.

Inzwischen sind die Angebote mit Reservierung freilich ausverkauft.
Inzwischen sind die Angebote mit Reservierung freilich ausverkauft.

Übrigens hatte auch Oktoberfest-Booking 2024 offenbar ein weitergehendes Angebot geplant, ähnlich der bereits erwähnten Agentur. Damals konnte man auf der Internetseite Anfragen für „Oktoberfest-Erlebnisse“ in den Kategorien bodenständig oder Luxus stellen. „Wir erstellen Ihnen ein attraktives Angebot, welches individuell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist und helfen Ihnen, Ihre Einladung zum Oktoberfest zu einem einmaligen Erlebnis zu machen.“ Diese Möglichkeit ist derzeit allerdings erfreulicherweise nicht mehr auffindbar.

Erinnert sich noch jemand daran, dass das Schützenzelt, Zufluchtsort für Kryptokerle, und generell äußerst bemüht, seine enorme Popularität in Umsatz abseits der Wiesn und ihrer Umsatzpacht zu nutzen, auch schon einmal versucht, Reservierungen in einen Club, letztendlich also ein Abonnementmodell zu schieben? Mal schauen, wie lang es noch dauert, bis das Wiesnabo wirklich kommt.

Mit diesen Vorteilen wirbt das Schützenzelt für den immer noch aufrubaren Schützenfestzeltclub.
Mit diesen Vorteilen wirbt das Schützenzelt für den immer noch aufrubaren Schützenfestzeltclub.