Bei all den Eindrücken, die von außen auf die Wiesn hereinprasseln, darf nicht vergessen werden, was das Oktoberfest ausmacht, und was nicht.
Die öffentliche Abstimmung zur Ermittlung der 30 beliebtesten Wiesnplakatmotive ging am Sonntag zu Ende. Als Nächstes wird eine Jury die drei prämierten Entwürfe küren, deren erstplatzierter 2025 den offiziellen Maßkrug und zahlreiche weitere Logoartikel zieren wird. Da es vier Entwürfe nicht unter die ersten 30 geschafft haben, denen die Veranstalter jedoch Siegeschancen beimessen, sind es letztendlich sogar 34, die noch zur Auswahl stehen. Unten zu sehen ist der beliebteste Entwurf aus unserer eigenen Abstimmung bei Facebook. Da dieser aller Wahrscheinlichkeit keine Chance auf den Gewinn haben sollte, ist das Motiv mit dem tanzenden Paar ein gutes Beispiel dafür, wieso eine Auswahl durch eine Fachjury durchaus sinnvoll ist.

Wir verstehen zwar, dass die gefällige Farbwahl hinter einem adretten Tänzerpaar auf den allerersten Blick ansprechend wirken kann. Doch sollte doch jedem, der sich a bissl mit der Wiesn beschäftigt, wenigstens auf den zweiten Blick auffallen, dass der Kirchturmvektorenbaaz im Hintergrund weder an München erinnert, noch sauber ausgearbeitet ist und nahelegt, da wäre generative Ki im Spiel gewesen. Die Zirkuszelte davor lassen vermuten, der Urheber habe die Wiesn mit dem Wintertollwood verwechselt.
Wenn etwas so weit strahlt wie die Wiesn, werden ihre in die Ferne ausgesandten Bilder dort zu Klischees verdichtet und irgendwann auch wieder zurückgespielt. Sonst seit Jahren werden bezugnehmend auf das Thema Oktoberfest Maßkrüge um die Wette gestemmt, Ex-Saufen zum Kulturgut verklärt oder grüne Stoffhosen zum Peter-Pan-Hut ausgeführt. Soziale Netzwerke haben diesen Effekt in den letzten Jahren massiv verstärkt. Wenn reichweitenstarke Instagramlerinnen die Wiesn mit Mittsommer verwechseln, hat das so großen Einfluss, dass innerhalb weniger Jahre Blumengestecke im Haar als Teil bairischer Tracht fehlinterpretiert werden, bis sie ein kulturell so wenig interessiertes Unternehmen wie Paulaner vorübergehend gar auf seine Wiesnbieretiketts druckt.
KI-Bildgeneratoren beginnen gerade, diesen Effekt noch verstärken. Umso wichtiger wird es sein, dass die wesentlichen Akteure auf der Wiesn das Oktoberfest verstehen, um es nicht fremdbestimmter Beliebigkeit zu überlassen. Fehlentwicklungen wie die Installation von Videowänden am Eingang der Oidn Wiesn im letzten Jahr mag man als Nebensächlichkeit abtun. Doch summieren sich ästhetische und programmatische Fehlentscheidungen letztendlich zu einem Gesamtbild, das es erschwert macht, Außenstehenden zu erklären, wieso hinter der als bayerisches Nationalfest konzipierten Wiesn doch mehr steckt als eine Saufveranstaltung, die nicht für mehr gut ist, als aus Wirten Großgastronomen und Wirtschaftsreferenten Bürgermeister zu machen.