Wie schnell ein Glück oft vergeht
Der letzte Wiesntag macht traurig. Das macht er aber auf ganz charmante Art und Weise.
Ja, jetz is dann so weit. Der letzte Wiesntag ist gekommen. A bisserl gefürchtet hab ich mich wieder vor ihm, schließlich beginnt mit ihm der Anfang vom Ende. Und das Ende trifft einen auch nach Jahren inniger Liebe und je nach Jahr 16 bis 18 Tagen heftigster Liebkosung dieses Zustands, den wir Wiesn nennen, noch besonders hart. Sehr viele Menschen haben dazu ein ambivalentes Verhältnis. Wer auf der Wiesn arbeitet, freut sich oft auf das in den letzten Tagen herbeigesehnte Ende der Schufterei, einige wollen anschließend sogar komplett mit der Wiesn aufhören, manche haben daraus ein alljährlich wiederkehrendes Ritual gemacht. So wiederkehrend wie auch ihre Sehnsucht nach diesem Ort, den sie im Jahr darauf doch wieder zu ihrem Arbeitsplatz machen.
Auch viele Gäste erleben diese Ambivalenz, wenn auch von einem anderen Standpunkt. Meist dominiert doch die Melancholie, die beim Gedanken daran mitschwingt, dass es nun wieder ein Jahr zu warten gilt, auf diesen unvergleichlichen Ausnahmezustand. Auf der anderen Seite wohnt dem letzten Tag ein magischer Charme inne, den nur nachvollziehen kann, wer eine besonders innige Beziehung zur Wiesn hat. Oft scheint es, als kämen für die letzten Stunden nur noch Menschen zusammen, die zuvor überdurchschnittlich oft der Theresienwiese einen Besuch abgestattet haben. Touristen sind nur noch wenige da, Erstbesucher findet man kaum.
Und so erlebt man tagsüber bereits eine außerordentliche Stimmung. Es ist erstaunlich ruhig, die Bänke werden erst ein bisschen später erklommen als gewohnt und immer schwingt ein Gefühl des Abschieds mit. Verstärkt wird diese bei einem letzten Rundgang, bevor die Zelte schließen, der bestimmt den einen oder anderen Gänsehautmoment in sich birgt. Spätestens jedoch wenn die inzwischen verbreiteten Abschlussrituale beginnen. Wenn die Sternwerfer zu Sierra Madre entzündet werden, Il Silenzio bei abgedunkeltem Zelt erklingt oder die Bedienungen Arm in Arm auf die Tische steigen, dann ergibt sich ein hochkomplizierter Gefühlsausbruch, in dem sich Freude über die Schönheit des Moments mit der Melancholie des Abschieds mischen.
Wundertraurig halt.