Eine polarisierende Münchner Instagram-Schönheit erobert den Bierausschank.
Nein, nicht der hundertste Spritz, kein aromatisierter Gin Tonic, das heißeste Trendgetränk zurzeit ist Bier. Nicht im Allgemeinen, Ausstoßrückgänge sind leider momentan eher realistisch, auch kein bestimmtes Bier, sondern eine spezielle Schankweise: Die Schaumige. Als wir uns vor Jahren erstmals mit ihr beschäftigten, war sie eine Exotin, die grundsätzlich nicht auf Speisekarten zu finden war und überhaupt nur von Eingeweihten in Bierwirtschaften mit anständigen Schänken bestellt wurde.
Seitdem hat sich ihre Wahrnehmung massiv gewandelt. Nicht zuletzt dank Instagram, wo sich auch der Münchner Biertrinker seines sozialen Status zu vergewissern sucht. Und dafür taugt die Schaumige aus dreierlei Gründen:
- Sie ist immer noch relativ unbekannt. Selbst wenn sie auf der Karte steht, weiß nicht jeder etwas damit anzufangen. Sie stößt ihrem Trinker also das Tor zu einer Elite von Eingeweihten auf.
- Sie symbolisiert eine gewisse Lockerheit ihres Trinkers, vielleicht gar eine Erhabenheit über die andere Seite des Biertrinkerspektrums, den Schankmoralisten. Vorsätzlich beraubt der Schaumigenzecher schließlich dem Eichstrich seine Funktion als objektive Evaluierungsgrundlage der moralischen Befähigung des Kellners für die Arbeit in der Schank und zeigt damit seine souveräne Gelassenheit.
- Sie dient der Darstellung pekuniärer Gleichgültigkeit und legt daher ein gutes Auskommen ihres Verzehrers nahe. Beim Schaumigenhandel ist schließlich grundsätzlich der Wirt monetär im Vorteil, insbesondere auf der Wiesn, wo eine Schaumige nur eine geringere Krugfülle, nicht aber eine geringere Bepreisung bedeutet. Sie bringt also etwas bodenständigen Blingbling auf den Biertisch, noch weit entfernt von der wohlstandsverwarlosten Dekadenz der Schaumweinspritzerei, die diesen Aspekt ins Absurde überzeichnet.
Doch wie ist die Schaumige überhaupt dort hingekommen, wo sie jetzt steht? Obwohl eine Schaumige im richtigen Glas zweifelsohne über große ästhetische Qualitäten verfügt - manch ein aufs Glas gedruckte Brauereilogo kommt vor weißem Hintergrund viel schöner zur Geltung als vor goldenem - ist es möglicherweise noch mehr ihre Eigenschaft als Empörungsköder.
Wenn der Bierfluencer seine Schaumige sozialmedial präsentiert, muss er in der Regel nicht lange warten, bis sich die ersten Unwissenden über den augenscheinlich unzureichenden Füllstand des Bierglases empören. Dank dieser Kommentare stufen die Plattformalgorithmen den Beitrag als bedeutender ein, als er vielleicht ist, und spielen ihn weiteren Empörten aus. So wurde die Schaumige inzwischen zu einer Münchner Instagram-Schönheit.