Was die Stadt München nicht alles mit dem Oktoberfest verbindet.

Als Wiesndamischer gibt es jedes Jahr eine Phase, in der ich tatsächlich kurz an der Sinnhaftigkeit meiner Faszination für das schönste Volksfest der Welt zweifle. Diese Phase tritt in der Regel Ende August oder Anfang September ein, wenn Münchner Apotheken ihre Schaufenster mit (neuerdings gerne KI-generierter) „bairüsch“ dekorieren; wenn die Kioske in Wiesnnähe ihre offenbar stark nachgefragten Notfalllederhosen aus Bangladesch einräumen; wenn Tageszeitungen über Trachtentrends schwadronieren, die man heuer aus Traditionsbewusstsein unbedingt befolgen muss; wenn Aldi Fertiggerichte als „Wiesn Schmankerl“ anpreist, die die ur-münchner Kombination aus Weißwurst, Senfsoße, Kartoffelpüree und Weinsauerkraut umfassen.

Kurzum: Wenn bar jeglichen kulturellen Anspruchs allerlei Geschmacksverirrungen plötzlich begrifflich in die Nähe des Teilzeitparadieses gerückt werden, das wir als Wiesn kennen. Dabei ist sie doch „das größte Volksfest der Welt, ein einmaliges Gesamtkunstwerk, ein Stück Münchner Seele“, wie es in einer städtischen Presseinformation heißt. Und weil die Landeshauptstadt das erkannt hat, hat sie sich die europaweiten Rechte an den Begriffen Oktoberfest und Wiesn gesichert. Die Münchner Seele, die bayerische Kultur will schließlich auch vor Gericht geschützt werden.

Mal angenommen, da käme ein österreichischer Kracherlhersteller auf die Idee, sein Produkt mit dem geschützten Begriff Oktoberfest versehen zu wollen. Dafür würde er eine in Berlin tätige Modeschöpferin engagieren, die blau-rosane Lederhosen und Schnallendirndl auf die Flaschenetiketten malt. Dann würde die Stadt dafür doch gewiss keine Lizenz vergeben, um die Bilder, die ihr größter Kulturexport in die Welt sendet, nicht zu verfälschen, oder? Um den Spannungsbogen nicht zu überspannen: Neben der Lizenzvergabe hat die Festleitung Almdudler offenbar sogar eine Werbeveranstaltung in der Käferschen Wiesnschänke genehmigt. Schließlich passen das Münchner Oktoberfest und die Wiener Marke Almdudler, laut ihres Marketingleiters, perfekt zusammen. Zwecks alpiner Tradition oder so. Nur eine Frage soll uns erlaubt sein: Was will die Stadt genau schützen? Nur eine ihr zugelaufene Marke oder tatsächlich das Wesen der Wiesn?

Übrigens, die eingangs erwähnte Unsicherheit ob der eigenen Wiesnpassion weicht in der Regel kurz vor der Wiesn, allerspätestens aber, wenn am Eröffnungssamstag die aus der Ferne herannahenden Fanfaren, die den bayerischen Ministerpräsidenten und den Münchner Oberbürgermeister ankündigen, eine Gänsehaut erzeugen und ins Bewusstsein drängt, wie sehr dieses Fest immer noch die bayerische Seele berührt. Daran hat auch die unrühmliche Verbindung der Wiesn mit unzähligen Verballhornungen bayerischen Gewandes noch nicht rütteln können.

Titelbild: stephiebraun, Produktfotos: Almdudler