Die Wiesn-End-Melancholie
Kurz vor dem Ende des Oktoberfests weicht bei den größten Enthusiasten die ausgelassene Fröhlichkeit einer schaurigen Melancholie.
Die Wiesn ist eine fröhliche Angelegenheit. Und das ist sie nicht zuletzt deshalb, weil ihre Besucher mit vorsätzlicher Fröhlichkeit und mit dem Vorhaben, die immer viel zu kurze Wiesnzeit in vollen Zügen zu genießen, den Festplatz betreten. Auch wenn der Besucher von Fern vielleicht noch etwas fröhlicher und ausgelassener sein mag, schließlich muss er seine Wiesnlust auf viel zu wenig Zeit komprimieren, ist in der Regel auch der regelmäßige Wiesnbesucher vom Fröhlichkeitsvorsatz erfüllt. Wenn die Wiesn aber in ihre Zielgerade, das letzte Wochenende, einbiegt, überfällt diese Spezies meist ein emotionales Durcheinander. An irgendeinem Punkt nämlich wird sie sich der Vergänglichkeit des Wiesn-Ausnahmezustands gewahr.
Der Tagesbesucher hat hierzu normalerweise keinen Bezug. Sein Wiesnbesuch ist mit dem Tagesende abgeschlossen, Schwermut befällt ihn höchstens kurz mit dem Schankschluss, in der Regel aber wird dieser von der Endorphinschwemme, die seinen Körper erfüllt, verhindert. Der regelmäßige Wiesnbesucher aber ist nach 14, 15 oder 16 Tagen an den dauerhaft hohen Endorphinpegel gewöhnt und die Angst vor dem nahenden Ende umso größer. Und dann vermischen sich die gewohnte Freude über das aktuelle Dasein auf der Wiesn und die Wiesn-End-Melancholie. Egal ob auf der Bierbank, sitzend zu Fuße der Bavaria oder beim letzten Wiesnrundgang – es kann einen überall packen.
Manch einer sucht dieses schaurig-schöne Gefühl, diesen Gänsehautgarant, sogar gezielt und gerade die bereits erwähnte Bavariasitzung dient gerne der Provokation großer Gefühle. Wem ein nahendes Wiesnende ein großes emotionales Durcheinander beschert, ist zweifellos eines: Wiesndeppert. Und das ist doch etwas Schönes.