Bewerbungen für die Oide Wiesn werden gesondert betrachtet, die richtige Wiesn könnte Dubletten verlieren.

Das Münchner Oktoberfest, das von über 200 Jahren als bayerisches Nationalfest konzipiert wurde, ist der bedeutsamste Kulturexport, den Bayern zu bieten hat. Sein Wesen prägt das Bild von München, Bayern und letztendlich auch der Bundesrepublik, das sich weltweit in hunderten Millionen Köpfen festgesetzt hat. Dass die Qualität der Kulturveranstaltung Wiesn stark gelitten und bairische Aspekte nur noch wenig Raum bekommen, sind hingegen Umstände, die viele umtriebige Köpfe beschäftigen. So sehr, dass sich in den 2000ern eine Gruppe äußerst hochkarätiger Wiesndamischer, vom Landtagsabgeordneten bis zum Brauereivorstand, aufmachte, eine Alternative zu konzipieren, das nicht von der Gastronomie, sondern vom Programm her gedacht werden sollte. Seine Premiere dieses solches Konzept 2010 zum 200-jährigen Oktoberfestgeburtstag und wird seit 2011 als Oide Wiesn durchaus erfolgreich fortgeführt.

Stärkere Gewichtung des Kulturprogramms auf der Oidn Wiesn

Der Grundsatz, die Kultur und nicht die rein gastronomische Leistung in den Vordergrund zu stellen, bekam jedoch zuletzt Risse. Die Ablösung der Schönheitskönigin durch die Schützenlisl, noch mehr aber die Zulassung der Boandlkramerei anstatt des Herzkasperlzelts, sorgte für Aufsehen und auch im Stadtrat für einigen Unmut, der nun auch wirklich zu einer Änderung des aus 13 Kategorien bestehenden Katalogs zur Bewertung von Bewerbungen für die Oide Wiesn führt. Neu ist, dass die Oide Wiesn überhaupt eigene Bewertungskriterien bekommt. Diese unterscheiden sich von denen der richtigen Wiesn allerdings nur in zwei Punkten:

  1. Die Anziehungskraft, worunter auch die Bewertung des Programms des Volkssänger- und des Musikantenzelts durch das Kulturreferat fällt, wird mit Faktor fünf statt vier multipliziert.
  2. In der Kategorie Tradition wird nicht zwischen der Gastronomie und anderen Betrieben unterschieden. Auf der richtigen Wiesn hat dieser Punkt im Gegensatz zu den Schaustellerbetrieben bei den Festzelten nämlich nur Faktor zwei, während auf der Oidn Wiesn jetzt einheitlich für alle Betriebe der Faktor vier gilt. Allerdings wird nicht ausgeführt, wie diese Kategorie auf der Oidn Wiesn überhaupt bewertet werden soll.

Eine Definition von Tradition wäre nicht zuletzt deshalb interessant, da sich das Kriterium „Stammbeschicker“ weiterhin auf das Oktoberfest und nicht die Oide Wiesn im Speziellen bezieht. In dieser Kategorie mit dem Faktor zwei gibt es für jeweils fünf Oktoberfestzulassungen ohne Beanstandungen einen Punkt. Nachdem die Oide Wiesn überhaupt erst zehnmal stattgefunden hat, können Beschicker der richtigen Wiesn in dieser Kategorie also weiterhin mehr Punkte als ein Oide-Wiesn-Stammbeschicker bekommen, falls sie in das Traditionsreservat hinüberwechseln wollen.

Was ist eigentlich ein Musikantenzelt?

Weiter präzisiert wird in den Anmeldebedingungen für die Oide Wiesn, was sich die Stadt unter einem Musikanten- und einem Volkssängerzelt vorstellt. Eine der wesentlichen Kritikpunkte an der Zulassung der Boandlkramerei auf dem Platz des Volkssängerzelts war nämlich die mangelnde Abgrenzung zum Musikantenzelt. So ist jetzt festgelegt, dass sich das mindestens eineinhalbstündige allabendliche „Highlight“ zukünftig deutlich vom Tagesprogramm unterscheiden muss. Außerdem soll die Bewertung des Kulturprogramms nach folgenden Kriterien richten:

Das Volkssängerzelt soll insbesondere Couplets in den Mittelpunkt stellen. „Hinzu können weitere Unterhaltungsformen wie Gstanzlsingen und (Musik-)Kabarett treten.“ Außerdem ist die aktive Einbindung des Publikums gewünscht. Während im Falle des Musikantenzeltes die Qualität des Programms u.a. an der inhaltlichen Beschäftigung mit der musikalischen Volkskultur (in Abgrenzung zu Genres wie populärer Unterhaltungsmusik, (Musik-)Kabarett u.ä.) gemessen wird, steht im Volkssängerzelt „die Volkssängerei und ihr verwandten Unterhaltungsformen“ im Mittelpunkt. Das Musikantenzelt soll obendrein Tanz, auch mit Anleitung, anbieten.

Interessant ist auch, dass die in der Bewerbung für beide Plätze genannten Künstler wenigstens mündliche ihre Teilnahme zugesagt haben müssen. Das ist eine Reaktion darauf, dass Boandlkramerei-Wirt Peter Schöniger vorgeworfen wurde, dem Wirtschaftsreferat und dem Stadtrat gegenüber mit Kapellen geworben zu haben, die im Vorfeld gar keine Anfrage erhielten. Dies könnte ihm bei einer erneuten Bewerbung auch sogleich auf die Füße fallen. Vorgesehen ist nämlich nun ein Punkteabzug im Folgejahr, falls nach der Wiesn Programmabweichungen festgestellt werden, die sich negativ auf die Qualitätskriterien auswirken.

Genauso erwartbar wie schade ist, dass die zumindest etwas stärkere Gewichtung kultureller Aspekte nicht auch für das echte, 224 Jahre alte Oktoberfest gilt. Dieses hat sich insbesondere in den letzten 20 Jahren zu einer Gastronomieleistungsschau mit Mehrgangmenüs (deren Qualität allerdings allzu oft nicht mit den aufgerufenen Preisen korrespondiert) entwickelt, die kulturell immer beliebiger wird.

Den Dubletten gehts an den Kragen

Eine Änderung gibt es tatsächlich auch für die Zulassungen auf der richtigen Wiesn: Kritisiert wurde in der Vergangenheit, und das nicht nur von uns, dass es auf dem Oktoberfest eine Vielzahl von baugleichen Fahrgeschäften gibt, die man durch attraktivere ersetzen könnte. Die Verantwortlichen gehen dieses Thema jetzt an, indem in der Sparte „‚Hochfahrgeschäfte (Achterbahnen)‘ kein weiteres baugleiches Geschäft und in den Geschäftssparten ‚Rundfahrgeschäfte‘ und ‚Sonstige Fahrgeschäfte‘, maximal zwei baugleiche Geschäfte“ zugelassen werden. Wir sind gespannt, wie sich das letztendlich auf die Zulassung auswirkt, schließlich gäbe es derzeit doppelte Riesenschaukeln, Hochkettenkarusselle, und zwei zumindest sehr ähnliche Freifalltürme.