Die Umsetzung ist mangelhaft, was heuer deutlicher wurde als zuvor.
Die Münchner Stadtpolitik war selten so zufrieden mit sich selbst, als sie im Mai „mehr Tische für Münchner auf der Wiesn“ bereitstellte, indem sie das Münchnerkontingent auch auf die Abende ausdehnte. So dürfen heuer erstmals 10 % der eigentlich reservierungsfreien Tische doch reserviert werden – nur für Münchner und das ohne Mindestabnahme. Mehr Tische sind es deshalb freilich nicht, aber mit „noch weniger Tische ohne Reservierung“ gewinnt man ja keinen Blumentopf.
Nachdem so eine Samstagabendreservierung noch einmal einen deutlich höheren Wert hat als eine Mittagsreservierung, haben sich bestehende Probleme in der Umsetzung der Regelung heuer noch einmal verstärkt gezeigt, weshalb es wünschenswert wäre, wenn sich die Verantwortlichen noch einmal den einen oder anderen Gedanken dazu machen würden.
Nahezu Konsens zu sein scheint das Ziel, Kontingentreservierungen nicht an Stammgäste zu geben. Die Plätze werden also jedes Jahr neu ausgeschrieben, und zwar öffentlich. Lediglich die klandestine Umsetzung der Fischer-Vroni sticht regelmäßig negativ heraus. In den letzten Jahren wurde es von den Wirten ohne Ankündigung „über unsere Gaststätten“ vergeben, wobei uns regelmäßig von Lesern berichteten, dass noch nicht einmal das Personal dort etwas davon wusste. Heuer wurde zwar der 1. September als Abholtermin im Büro genannt, doch waren alle Abende schon vorher an Frühstarter vergeben worden. Neben der an sich eigenartigen Umsetzung, darf vielleicht auch angezweifelt werden, ob die unangekündigte Vergabe dem Wesen der Regelung gerecht wird.
Die anderen Wirte, die an der Regel teilnahmen, vergaben ihr Kontingent entweder zu einer bestimmten Uhrzeit im Stadtbüro oder über ihr Reservierungsportal. Auch hier zeigten sich jedoch zwei Probleme noch stärker als in Vorjahren: Bei der Vergabe über das Internet kommen zumindest für die Samstagabende nur technisch versierte Nutzer zum Zug, die, sobald der Betreiber nahezu aller Reservierungsformulare seinen üblichen Aussetzer überwunden hat, automatisiert reservieren. Besonders gravierend war dies beim Schützenzelt, um das es schon seit vielen Jahren einen äußerst regen Zweitmarkt gibt. Dass es sich bei den Wiederverkäufern teilweise um Profis handelt, die jedes Jahr wieder mehrere Tische zu Mondpreisen unter die Bling-Bling-Kundschaft bringt, ist durchaus enttäuschend. Die hohen erzielbaren Preise in Kombination mit dem Verzicht auf Champagner- und Menüvorbestellungen, für die sich das Reservierungsbüro sonst in besonderem Maße zu begeistern scheint, steigern die Attraktivität des Münchenkontingents auch für versierte Schwarzhändler trotz der Unberechenbarkeit.
Doch auch die persönliche Vergabe hat ihre Tücken. Stolz haben die Verantwortlichen der Bräurosl ihre Warteschlange vom Marienplatz bis zum Odeonsplatz in den sozialen Medien vorgeführt. Für die Wartendenden gab es sogar Freibier und Bierzeichen geschenkt. Nur, sind diejenigen, die vor einem Reservierungsbüro übernachten, wirklich an einer Reservierung interessiert? Wie viel Sinn ergibt es, sich 12 Stunden vor einem Reservierungsbüro anzustellen, nur um sich drei Stunden Wartezeit am Wiesneingang zu sparen (siehe Titelfoto)? Die erstaunliche Anzahl an absurd überteuerten Reservierungen ohne Mindestverzehr, die wir dieser Tage für die Bräurosl und das Löwenbräuzelt sehen, spricht eher für eine pekuniäre Motivation der Fußgängerzonencamper.

Wie könnte man es also besser machen? Zum einen könnte man das Münchnerkontingent freilich einfach wieder abschaffen. Für nicht-reservierte Plätze gibt es nämlich (nahezu) keinen Schwarzmarkt. Andererseits könnte man es auch stattdessen in Spontanreservierungen umwandeln. Innerhalb von 24 Stunden tut sich der Schwarzhändler schließlich deutlich schwerer, zahlungswillige Kundschaft zu finden.
Andererseits wären aber auch Verlosungen denkbar. Über einen Zeitraum von einigen Tagen werden Bewerbungen für bestimmte Zeitblöcke eingesammelt und die Reservierungen dann zugelost. Das würde Festzelt OS vor weiteren Ausfällen schonen und automatisierten Reservierungen den Zeitvorteil nehmen. Durch die zu erwartende große Zahl an Bewerbern wäre der Anteil an unlauteren Teilnehmern deutlich geringer. Durch die Beschränkung auf Personen, die sich bei der Abholung ausweisen müssen, wäre auch eine große Anzahl an E-Mail-Adressen nutzlos.
Wir würden es in jedem Fall begrüßen, wenn bis nächstes Jahr der ein oder andere Gedanke zu einer Neuregelung oder Optimierung der Umsetzung ausgetauscht würde. Aktuell haben Schwarzhändler etwas zu große Freude am Münchenkontingent. Die Familien, die vorrangig vom Sonderkontingent profitieren sollen, wie man immer wieder hört, und wie es auch Wiesnstadträtin Anja Berger heuer wieder betonte, würden allerdings vermutlich v.a. von reservierungsfreien Tischen profitieren. Insbesondere an den Sonntagen. Mit allem, was einen großen Aufwand verlangt, erreicht man naturgemäß in erster Linie junges Publikum.