Wieso arbeiten Wiesnwirte eigentlich mit Reservierungswiederverkäufern zusammen?
Das Münchner Oktoberfest ist nicht nur das größte, sondern auch das großartigste Volksfest der Welt. Um zu verhindern, dass ein derart populäres Fest nicht an seinem eigenen Erfolg erstickt, hat der Veranstalter, die Stadt München, bzw. deren Wirtschaftsreferat, bereits vor vielen Jahren beispielsweise die Reservierungsbedingungen reguliert. Bis vor wenigen Jahren war es selbstverständlich, dass eine Reservierung an sich kostenlos ist. Lediglich ein von der Stadt beschränkter Mindestverzehr musste in Form von Bier- und Hendlzeichen abgenommen werden. Inzwischen haben sich zwar Reservierungsgebühren eingeschlichen, die aber immerhin auf moderate 1,50 € gedeckelt wurden.
Aufgrund des großen Andrangs und der daraus resultierenden Tatsache, dass die Zelte wenigstens am Freitag und Samstag regelmäßig schließen, um eine Überfüllung zu verhindern, haben die Reservierungen letztendlich einen deutlich höheren Wert als die berechneten 1,50 € pro Person. Sie garantieren nicht nur einen Sitzplatz, sondern auch schlichtweg Einlass in die ausgelasteten Zelte und bekommen somit Eintrittskartencharakter und große Relevanz für Schwarzhändler. Über deren Angebote im vierstelligen pro Tisch zu den attraktivsten Zeiten wird gerne in der Presse berichtet, heuer nicht zuletzt aufgrund einer Warnung der Verbraucherzentrale Bayern.
Auch einigen Wirten ist das Thema prinzipiell ebenfalls ein Dorn im Auge. So machten die aktuellen Wirtesprecher, Peter Inselkammer und Christian Schottenhamel, das Vorgehen gegen überteuerte Reservierungen zu ihrem Antrittsthema. Für das größere Aufsehen sorgte aber Ochsenbratereiwirtin Antje Haberl mit ihrer erfolgreichen Klage gegen einen Reservierungsweiterverkäufer. Das Oberlandesgericht entschied 2022, dass das Angebot der beklagten Agentur aus Chemnitz irreführend und damit unlauter sei. „Durch das Angebot spiegelt die Beklagte den Kunden vor, dass sie einen sicher durchsetzbaren Anspruch auf Einräumung eines Tisches im Festzelt der Klägerin erwerben, was tatsächlich nicht der Fall ist“, hieß es in der Urteilsbegründung. Würde das Reservierungsbüro vom gegen die AGB verstoßenden Weiterverkauf Wind bekommen, würde es die Reservierung schließlich stornieren.
Nicht alle Wiederverkäufer sind gleich
Während viele Wirte einen Verkauf über das beklagte „tischreservierung-oktoberfest.de“ aus Chemnitz oder „oktoberfest-tischreservierungen.de“ aus Berlin explizit in ihren AGB verbieten, gibt es mit „oktoberfest-besuch.de“ einen weiteren Anbieter, aus Grünwald, der deutlich besser bei den Wirten gelitten ist. Die dahinterstehende Firma Edition Sportiva veranstaltet nicht nur den Almauftrieb in der Käferschen Wiesnschänke am ersten Sonntag (Flanierkarte 95 €), sondern betätigt sich auch als Reservierungsverkäufer - mit dem Segen der kooperierenden Wirte. Wir haben uns Angebote für das „Wiesn Incentive 2024 ,Brauchtum & Tradition'“ exemplarisch für die Zelte der beiden Wirtesprecher, also der Schottenhamel-Festhalle und dem Armbrustschützenzelt für den ersten Freitagabend erstellen lassen.
Die Agentur kauft hierbei direkt beim Wirt ein nicht weiter beschriebenes „F&B Arrangement“ für um die 67 € (Preis vom Vorjahr) und berechnet dieses weiter. Hinzu kommen die, nennen wir es wohlwollend „Leistungen“, der Agentur. Diese umfassen Projektleitung, Reservierungsmanagement, Concierge-Service, Ablaufplan, Zugriff auf ein „VIP-Treament-Portal“, Handling der Dispositionen, Organisation am Veranstaltungstag, persönliche Betreuung vor Ort, den - nicht gerade praktischen - Empfang abseits des Festgeländes - und ein Lebkuchenherz pro Gast. Hierfür werden zusätzlich brutto 185,64 € fällig. Kurzum: Wer es durchaus selber hinbekäme, ein Reservierungsformular auszufüllen und sich mit seinen Gästen am Zelt zu treffen, was den allermeisten Reserverierern zuzutrauen sein dürfte, bleibt ein Lebkuchenherz übrig. Zusammen mit den zu erstehenden Verzehrgutscheinen kostete ein Platz über 250 €, also in der Regel über 2500 € pro Tisch.
Wieso arbeiten Wirte mit Wiederverkäufern zusammen?
Dass ein Wiederverkäufer seine Reservierungen direkt von den Wirten beziehen kann, ist angesichts der Aufmerksamkeit, die das Thema jedes Jahr bekommt, bemerkenswert. Wir haben deshalb nachgefragt, was die Edition Sportiva denn von anderen Wiederverkäufern unterscheidet und wieso die Wirtesprecher mit der Agentur zusammenarbeiten. Auf die letzte Frage haben wir freilich keine Antwort erhalten. Christian Schottenhamel ließ uns wissen, dass er keine gravierenden Probleme mit der Offerte erkennen könne, schließlich würde der Verzehr transparent 1:1 weiterverrechnet und die sonstigen Leistungen entsprächen denen einer üblichen Incoming-Agentur. „Dies hat nichts mit Schwarzmarkt oder überhöhten Preisen zu tun, welche andere Internetplattformen anbieten.“, so Schottenhamel. Auch Katharina Inselkammer vom Armbrustschützenzelt könne kein unrechtmäßig überteuertes Angebot erkennen, da die Leistungen des Zelts klar bezeichnet und von der Agenturleistung getrennt seien.
Für gänzlich unproblematisch halten allerdings offenbar nicht alle Beteiligten das Angebot. Als Treffpunkt verwendete die Edition Sportiva letztes Jahr noch die Alte Kongresshalle auf der Theresienhöhe. Deren Eigentümerin, die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, untersagte die Untervermietung von Räumlichkeiten an die Agentur, nachdem sie auf deren Angebote hingewiesen wurde. Auch eine Leserin, die selbst Conciergedienstleistungen anbietet, hat uns davon berichtet, dass es Zelte gibt, von denen sie generell keine Reservierungen bekommt, weil sie nicht für sich selbst reserviert.
Selbst wenn wir weiterhin wohlwollend davon ausgehen, dass die Leistungen der Agentur von manchen Gruppen tatsächlich begrüßt werden, würden wir gerne die Frage in den Raum werfen, ob die Wiesn denn solche Agenturen braucht? Um die zwei Tische für einen Freitagabend, wie wir sie angefragt haben, zu verreservieren, benötigt bestimmt kein Wiesnwirt externe Hilfe. Wieso gib es diese Angebote dann überhaupt? Ließen sich mit ihnen als Zwischenhändler gar die städtischen Beschränkungen in Bezug auf den Mindestverzehr oder die Reservierungsgebühr umgehen? Schließlich berechnet die Agentur in unserem Beispiel das 123-fache der von der Stadt erlaubten Gebühr (ehrlicherweise abzüglich des Werts des Lebkuchenherzls, versteht sich).