Wieso Menüs doch nicht aus den Reservierungsformularen verschwunden sind.
Als der Wirtschaftsausschuss im Mai beschloss, über den Mindestverzehr hinausgehende Angebote aus den Reservierungsformularen zu verbannen, waren wir zunächst sehr erfreut für diese Entscheidung. Es lag nämlich der Verdacht im Raum, bei manchen Wirten wäre der Umfang der frühzeitigen Konsumbekundung als ausschlaggebend für die Gewährung einer Reservierung. Wieso sonst würde man auch attraktive Reservierungszeiten über Monate öffentlich anbieten und beim Reservierungsgesuch auch noch um die Vorbestellung von Menüs, Bier und sogar Wasser bitten? Zuschriften unsere Leser und unsere eigenen Testreservierungen entkräfteten diesen Verdacht nicht.
Am 16. Juni, dem Tag, an dem die neuen Regeln gelten sollten, mussten wir feststellen, dass mit dem Marstall-Festzelt und der Schottenhamel-Festhalle zwei Zelte weiterhin Menüs anboten. Unser Erstaunen schwand nicht, als wir erfuhren, dass dieses Verfahren sogar vom Wirtschaftsreferat abgesegnet wurde.
Erstaunlich finden wir das deshalb, da in der Neuregelung festgelegt wurde, dass Zusatzangebote erst nach der rechtsgültigen Zusage einer Reservierung abgefragt werden dürfen. Beide fraglichen Reservierungsformulare bitten ihre Nutzer um die Auswahl eines bestimmten Tisches. Direkt nach der Tischauswahl geht es weiter mit der Bestellung der Markerl, inklusive der Zusatzangebote wie Menüs oder Champagner. Zu diesem Zeitpunkt haben die Nutzer noch nicht einmal ihre Kontaktdaten angegeben – eine Zusage wäre also an diesem Punkt überhaupt nicht umsetzbar.
So sehen das auch die AGB vor. In denen der Schottenhamel-Festhalle heißt es, die Übersicht verfügbarer Tische sei lediglich eine Aufforderung an den Kunden zur Abgabe eines Angebots zum Vertragsschluss. „Nach Eingang der Reservierungsanfrage erhält der Kunde eine Reservierungsbestätigung per E-Mail, die die Annahme des Angebots darstellt.“
Selbst die AGB verstehen wir also so, dass erst in der Reservierungsbestätigung Menüs oder zusätzliche Markerl angeboten werden dürfen. Auch beim Marstall legen die AGB fest, dass die Reservierungsbestätigung erst im Anschluss an die Angabe der Anfrage erfolgen kann: „Die Reservierung und die Bestätigung werden erst nach dem vollständigen Zahlungseingang auf unserem Bankkonto gültig und verbindlich.“ Auch technisch ist keine Blockierung des ausgewählten Tisches umgesetzt worden. Es können also gleichzeitig mehrere Nutzer die Menüanfrage nach Auswahl des gleichen Tisches aufrufen.
Kritik am Zeitpunkt der Reservierungsbestätigung kann man als Pedantismus abtun. Es schaut jedenfalls nicht danach aus, als könnten die Menüempfehlungen in den beschriebenen Fällen zur Bevorzugung derer genutzt werden, die der Empfehlung folgen. Nur haben wir den Antrag von Wirtschaftsreferent Baumgärtner eigentlich so verstanden, dass sein Herz generell nicht an Menüs läge. Als Grund für die Neuregelung nannte er schließlich auch die Müllvermeidung, also „Foodwaste“, wie es im Antrag heißt. Es erschließt sich uns deshalb nicht, wieso von seinem Referat nun eine in unseren Augen nicht regelkonforme Umsetzung abgesegnet wird.
Solange die Menüs in den Reservierungsformularen stehen, werden sie gerade Auswärtige auch bestellen. Wir wissen, dass insbesondere Nordamerikaner oft sogar schon der Existenz von Bier- und Hendlmarkerln verwirrt sind und meinen, sie müssten sich damit im Vornherein eindecken, weil sie im Zelt sonst nichts zu trinken oder zu essen bekommen.
Da die Wirte dank ihrer Kassensysteme ja wissen, welcher Umsatz im Zelt an welchem Tisch gemacht wurde, können sie die Minderverzehrer in ihren Reservierungsportalen für die Folgejahre sperren, während diejenigen, die dank Menü eine ungewöhnliche Summe allein schon im Essen vorab bindet, auch im nächsten Jahr automatisch eine Reservierung vorgeschlagen bekommen. Einige wenige Zelte haben sich in den vergangenen Jahren schon den Ruf erworben, ihren Umsatz auf diese Weise zu optimieren. Das Angebot von Menüs und Wein könnte den Wettbewerb zwischen Konsumhochleistern und gewöhnlichen Gästen weiter verschärfen. Letztendlich wird es sich dabei auch um eine Konkurrenz zwischen Touristen und Hiesigen handeln, da die ersteren in der Regel konsumfreudiger sein dürften. Die Fine-Dining-Wiesn ist dann gekommen, um zu bleiben.
Menüauswahl im Nachgang
Während uns der Verbleib von Menüs in den Reservierungsformularen überrascht hat, war die Abfrage von Zusatzwünschen via E-Mail erwartbar. Interessant finden wir hierbei zwei Fälle. Beim Schützenfestzelt bekommt man nach der Bestellung des Mindestverzehrs eine Reservierungsbestätigung mit der Aufforderung den Verzehr zu buchen, obwohl man das doch bereits getan hat.
Noch einen Gang höher schaltet das Festzelt der Paulanerbrauerei. Der Betreff der Reservierungsbestätigung heißt missverständlicherweise, “Bitte vervollständigen Sie Ihre Buchung”. In der E-Mail selber ist die Nachricht über die Bestätigung der Reservierung dünn gedruckt, die direkt darunterstehende Aufforderung zur Vervollständigung hingegen deutlich hervorgehoben. Impliziert, wer zur Vervollständigung der Reservierung aufruft, nicht, dass sie bislang unvollständig ist? Vom Himmel fällt eine solch eigenartige Art der Reservierungsbestätigung jedenfalls nicht.
Alles in allem hat sich unsere Euphorie über die Neuregelung der Reservierungen sehr schnell gelegt. Von der Wiesn als Volksfest möchten wir uns eigentlich nicht verabschieden. Mehrgängemenüs wollen dazu jedoch überhaupt nicht passen.