„An allen Tagen darf vor 18.00 Uhr keine ‚aufheizende Musik‘ gespielt werden.“ An allen Tagen wird diese Regelung missachtet, doch das interessiert niemanden.

Bereits im vergangenen Jahr haben wir gefragt, wer auf der Wiesn eigentlich das Sagen hat? Wiesn-Chef Josef Schmid betonte im Hinblick auf den damaligen Austausch der althergebrachten Hendl- und Entenbraterei Poschner durch das Champagnerzelt Goldener Hahn, dass der traditionelle Volksfestcharakter erhalten bleiben müsse. Gleichzeitig hat die Stadt in den letzten Jahren bei den neuen Mittelbetrieben jedoch ausschließlich derartige Champagnerzelte zugelassen, die mit der Politik, Vorbestellungen für Mehrgänge-Menüs bei der Reservierungsanfrage, die zu Partymusik verspeist werden sollen, wohl kaum einem traditionellen Volksfestcharakter förderlich sind.

Dieser Widerspruch zwischen der Linie, die die Stadt als Oktoberfest-Veranstalter für ihr Lieblingsfest angeblich vorgesehen hat, und dem, was sich am Festplatz abspielt, ist allerdings nicht neu. Hinter vorgehaltener Hand hört man hin- und wieder, Herr Schmid sei nicht der involvierteste Wiesn-Chef, den man je gesehen habe, was angesichts der Tatsache, dass er hauptberuflich auch noch Bürgermeister ist, allerdings auch niemanden schockieren dürfte. Doch bereits unter der Ägide von Frau Dr. Gabriele Weishäupl, die von der Jubiläums- und Rekordwiesn 1985 an bis 2012 mit voller Leidenschaft das administrative Gesicht des größten Volksfests der Welt war, wurden Regelungen erdacht, die der Verballermannisierung des Traditionsfests Einhalt gebieten sollten.

So steht bereits seit vielen Jahren in den „Betriebsvorschriften für das Oktoberfest“ folgender Satz: „An allen Tagen darf vor 18.00 Uhr keine ‚aufheizende Musik‘ gespielt werden.“ Der Hintergrund dieser Regelung ist wohl eigentlich, zu verhindern, dass bereits am Nachmittag Bänke zu Tanzflächen und Festkapellen zu Partybands umgewidmet werden. Doch wer die Wiesn kennt, der weiß auch, dass das Gros der Festwirte bzw. deren Kapellen von dieser Regelung herzlich wenig hält. Dabei stünde ein traditionellerer Anstrich einzelnen Betrieben, die zur Mittagszeit nahezu ausgestorben sind oder deren Wirte über zu geringe Umsätze beim Essen jammern, und dem gesamten Fest gut zu Gesicht. Der durchschlagende Erfolg der Oiden Wiesn kann durchaus als Abstimmung mit den Füßen betrachtet werden. Auch auf der richtigen Wiesn lässt sich mittags einfach beobachten, wo es zu früher Stunde bereits gut gefüllt ist. Die, die bereits am Nachmittag rote Pferde umkehren lassen, gehören jedenfalls nicht dazu.

Wenn also zumindest Teile des Veranstalters erkannt haben, dass man das Oktoberfest hin und wieder vor seinen mächtigsten Akteuren beschützen muss, wieso werden dann die aus diesem Gedanken heraus entstandenen Regelungen nicht durchgesetzt? Für jeden Gast ist schließlich offensichtlich, dass die Wirte der Stadt auf der Nase herumtanzen. Und dass, wo der Veranstalter doch jedem einzelnen Beschicker eine Zulassung erteilen oder verwehren kann und somit am längeren Hebel sitzen sollte. Es scheint ganz so, als wäre die politische Seite des Veranstalters, die sich auf die Tradition des Volkfestes beruft, weit weg von den Beamten, die den traditionellen Charakter sicherstellen müssten.

Die im Folgenden zu sehende Interpretation nicht aufheizender Musik auf einer alten Traditionsveranstaltung in München wurde übrigens am 01.10.2016 noch vor zwölf Uhr aufgenommen. Dass die „Kapelle im Schützenfestzelt erhebliche Probleme hatte, traditionelle Blasmusik zu spielen“, wurde übrigens sogar im Schlussbericht 2014 festgehalten.