Die Bewertungskriterien, nach denen die Wiesnbeschicker ausgewählt werden, werden angepasst. Das könnte zu mehr „Oktoberfest-Party“ statt Oktoberfest führen.

Dass nach der Wiesn vor der Wiesn ist, wird heuer noch deutlicher als sonst. Bereits am Dienstag beschäftigt sich der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft erstmals mit den Zulassungskriterien für das kommende Oktoberfest. Nach der umstrittenen Adelung von Sigfried Able als neuer Wiesnwirt und dem damit verbundenen Ende der Institution Hippodrom, wurde bereits im April angekündigt, die Bewertungskriterien für die Zulassung von Wiesnzelten abzuändern. Hintergrund ist zum einen der kritisch beäugte Wechsel zahlreicher Schausteller in die Gastronomie sowie der Wunsch nach größerer Transparenz bei der Zulassung. Die Kriterien für Schausteller und Bierzelte sollen gemäß des neuen Vorschlags künftig getrennt werden. Das neue Bewertungssystem kommt allerdings nur bei den sogenannten „Sonstigen gastronomischen Großbetrieben“, also den Wirtszelten Fischer-Vroni, Käfer Wiesnschänke, Marstall, Schottenhamel und Weinzelt sowie den Mittelbetrieben und dem Familienplatzl zum Einsatz. Für die Zelte der Schützengilden und der Brauereien werden von deren Träger Wirte vorgeschlagen, die die Stadt in der Regel akzeptiert.

Wenn der Wechsel von Schaustellern in die Gastronomie erschwert wird, impliziert das freilich auch, dass Neubewerber erst recht geringere Zulassungschancen als bisher haben, da traditionelle Betriebe für ihr langjähriges Bestehen Zusatzpunkte erhalten sollen. Prinzipiell ist dies ein wünschenswerter Ansatz, da sich das Oktoberfest weitaus stärker aus Traditionsbetrieben zusammensetzt als beispielsweise das Straubinger Volksfest, wo es zu häufigen Änderungen sowohl bei den Wirten als auch den zugelassenen Bierzelten kommt. Dass weitere harte Einschnitte wie das Ende des 1902 erstmals zugelassenen Hippodroms aufgrund markenrechtlicher Probleme drohen, wird durch den Bewertungspunkt Tradition thematisiert. Immerhin ist diese Kategorie mit Faktor 4 bewertet und wäre im Falle des Hippodroms für 44 Bewertungspunkte gut gewesen. Der Wert der Markenrechte an bestehenden Traditionsbetrieben steigt somit.

In der Vergangenheit hat es unserer Meinung einige merkwürdige Zulassungen auch abseits des Marstalls gegeben. So bekam Lorenz Stiftl 2003 das Wienerwaldzelt zugesprochen, das 2008 schließlich seinem Neubau, Zum Stiftl, wich. Doch erst 2009 übernahm er mit dem Spöckmeier auch eine Münchner Traditionswirtschaft. Vorher war er lediglich als reisender Bierzeltwirt bekannt. In der Regel gehen Wiesnzelte jedoch an renommierte Münchner Gastronomen, die entweder große Biergärten oder traditionelle Innenstadtlokale führen und sich somit über die Jahre bereits in großen Betrieben bewiesen haben. Während Stiftl sein Zelt immerhin so führt, wie man es von den meisten kleinen Wiesnzelten erwartet, sticht die Wildstuben von Trudi Renoldi gleich in mehrerlei Hinsicht hervor. Die Familie Renoldi, die auf der Wiesn v.a. durch den Höllenblitz bekannt ist, stammt eigentlich aus Bremen und veranstaltet seit 2009 auch in München eine Oktoberfest-Party, wie man sie sich auch auf dem Bremer Freimarkt gut vorstellen könnte. Ist eine volkstümliche Schlagerparty in einem Containergehäuse wirklich das, was sich die Stadt München von der Wiesn erwartet? Die Wiesnbesucher scheinen es jedenfalls anders zu sehen. An einem Sonntagnachmittag, wenn selbst im Weinzelt reger Betrieb herrscht, ist die Wildstuben jedenfalls ein Fest für Klaustrophobiker.

Ob die neuen Regeln an derartigen Zulassungen etwas ändern, darf bezweifelt werden. Schließlich bevorteilt die Neuauslegung des Kriteriums Volksfesterfahrung reisende Bierzeltbetriebe. Mal schauen, wie lange es dauert, bis die Bayern-Festhalle nicht mehr nur Crange und Bremen beschickt. Dann wäre Frau Renoldi jedenfalls nicht mehr so einsam.